Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

WAGNER, Georg: Der Wiener Hof, Ludwig XIV. und die Anfänge der Magnatenverschwörung 1664/65

88 Georg Wagner über Neuhäusel an der Waag eine neue Festung (seit 19. Sept. 1665: Leo­poldstadt) errichtet werden konnte, und vor allem, daß der Großwesir auf die verschleierte Tributforderung von 200.000 Gulden verzichtete und sich dafür mit Geschenken in diesem Werte für den Sultan durch eine Groß­botschaft zufriedengab, die jedoch durch eine türkische Großbotschaft in einem ähnlichen („similiter“), dem Kaiser würdigen Sinne erwidert wer­den sollten (was beides im Sommer 1665 geschah), so daß — im Gegensatz zu Zsitvatorok, 1606, wonach Geschenke im Wert von 200.000 Gulden entrichtet werden mußten — nunmehr der Kaiser erstmals völlig eben­bürtig dem Sultan gegenüberstand. Der Austausch der Großbotschaften und die erstmalige Erwiderung kaiserlicher Geschenke durch eine türki­sche Großbotschaft, die in feierlichster Form bisher unerhörte Geschenke des Sultans unterbreitete, erhöhte die Reputation des Kaisers. Auf diese „Reputation“ aber kam es, wie das Theatrum Europaeum IX betont, an3). Hatte doch der führende französische Staatstheoretiker Jean Bodin in seinen „Six Livres de la République“ (1576) zur Erhärtung seiner These3a) von Unabhängigkeit, ja Präzedenzrecht seines Königs darauf verwiesen, daß der Kaiser [als König von Ungarn!] dem Sultan tribut­pflichtig sei. Von St. Gotthard also datiert die Erneuerung des österreichi­schen' Kaisergedankens. Jedoch, es war ein Sieg, der an einem „seidenen Faden hing“. In der kaiserlichen Begründung für den Friedensschluß, die dem Reichstage zu Regensburg am 14./24. Oktober 1664 überreicht wurde4), heißt es über den Sieg: „Und ob zwar ferners etliche ihnen die Gedancken machen, als ob dem Erbfeind noch heurigen Jahrs ein glücklicher und hauptsächlicher Streich hätte angehenckt werden können, und daß die am 1. Augusti bey S. Gotthard vorgegangene action, Tureas vinci posse erwie­sen: So wäre doch dieses alles ab incerto fortune eventu, cum nullibi minus successus, quam in bello respondent, & nunc his nunc illis contingit vincere, und sonderlich belehren uns die Historien, wie selten der Erbfeind, da er mit seiner Haupt-Armee eine bataglie gelieffert, überwunden worden, und ist eben vorbemeldte letztere action nach vieler beständigen Meynung ein Sach von großer Gefahr gewest, daß allbereits das Heyl unsers Vatter- lands, wie man pflegt zu reden, an einen seidenen Faden gehangen, dann wie nahe war es dabey, daß der Erbfeind die Victori erhalten, welches da GOTT es verhengt, wer würde ihm gewehrt haben, daß er nicht in die Viscera Imperii eingebrochen, einen guten Theil dessen mit Feuer und Schwerdt verhergt, oder sich allerdings deß noch übrigen Christi. Unger- lands bemächtigt hätte, dann wenig Regimenter, außgenommen die meh­rere Macht Jh. Kays. Maj. und Dero zu Hülff angezogene Auxiliar-Völcker, 3) Vgl. Theatrum Europaeum IX, Frkft. a. M. 1. A. 1672, S. 1510. 3a) Vgl. Six Livres de la République, Paris 1576, Livre V, Chap. 6. 4) Text im Ortelius Continuatus, Frkft. a. M. 1665, 358 ff. und Theatr. Europ. IX, 1. A. 1132 ff., 2. A. 1115 ff.

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