Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

J. M. Baernreithers und Graf O. Czernins Darstellung der Sixtus-Affaire 443 (alität), dessen Ruf ein internationaler ist, der aber infolge seiner Stellung hauptsächlich mit Frankreich u. zw. auch mit den offiziellen französ. (?) Kreisen in Beziehungen steht. Dieser Mann — gewiß weder ein Charlatan, noch ein Intrigant — wußte, daß ich in absehbarer Zeit in die Schweiz kommen würde. Er bat mich um eine Unterredung und machte mir die er­staunliche Mitteilung, daß er von einem maßgebenden Mitglied der franzö­sischen Regierung, dessen Einfluß immer mehr im Zunehmen begriffen sei, den Auftrag erhalten habe, durch eine vertrauenswürdige Persönlichkeit (und für eine solche halte er mich) vorläufig unter Umgehung der offiziel­len, hauptsächlich der diplom. Kreise, einen direkten Weg zu Sr. Maj. zu finden, um dem Kaiser unmittelbar folgendes zu berichten: Frankreich sei bereit, sich eventuell von seinen Kriegsgenossen zu trennen und einen Sonderfrieden zu schließen.“ 62) ferner: Dieser Sonderfriede wäre ganz gut denkbar, aber unter einer Voraus­setzung ; man müßte die Regierung in die Lage versetzen, als größten Erfolg der Verhandlungen als Kompensation für (3 Worte unleserlich) der Öffent­lichkeit etwas zu bieten, dessen hohe Werte alle Parteien anerkennen wür­den; man müßte eine Errungenschaft bringen, die derart populär wäre, daß sich die ganze öffentliche Meinung einstimmig gegen die Fortsetzung des Krieges aussprechen müßte: und da käme wohl einzig und allein die Abtretung von E. Loth, an Frankreich in Betracht. Könnte sich Deutsch­land dazu entschließen, so wäre der Sonderfriede gesichert, denn keine Macht der Welt wäre imstande, in diesem Falle die Franzosen zur Weiter­führung des Krieges zu zwingen. Noch mehr: Frankreich würde dann den D. ganz freie Hand lassen, sich in Belgien oder in den Ostseeprovinzen auszudehnen und einzurichten, wie es wolle; es würde sogar mit den Cen­tralmächten ein derartiges Freundschaftsverhältnis (1 Wort unleserlich), daß darin der Keim eines continentalen Bündnisses gegen England zu finden wäre. Alle anderen Fragen würden sich als Detailfragen leicht regeln lassen, wenn sich Deutschland nur entschließen könnte, den Franzosen El. Loth, als Köder hinzuwerfen. Wäre man darüber im Prinzip einig, so könnten die Sonderverhandlungen zwischen Frankreich und den Central­mächten auf neutralem Boden in direkter Form sofort eröffnet und mög­lichst rasch zu Ende geführt werden, um dann England gegenüber mit einem fait accompli hervorzutreten. Soweit der Auftrag des Mitgliedes der franz. Regierung. Seine Worte wurden mir von meinem Gewährsmann möglichst getreu wiedergegeben und 62) Die Annahme, daß es sich bei den Armand-Revertera-Besprechungcn um eine Sonderaktion auf französischer Seite handelte, war wohl nur am Anfang der Verhandlungen gerechtfertigt. Dazu am ausführlichsten R. Fester, a. a. O , 168—79, 183 ff., 211 ff., 234 ff., 258 ff., 284 ff. Über Reverteras Verhandlungen siehe auch Berchtolds Tagebucheintragungen in Hantsch, Berchtold, II, 799 f., 815 f.

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