Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

J. M. Baernreithers und Graf O. Czernins Darstellung der Sixtus-Affaire 441 hoffte (?), schien sich der Glaube an unseren bevorstehenden Abfall von Deutschland bei unseren Gegnern eher zu vertiefen. Ich weiß heute noch nicht, ob in dieser Zeit außer den erwähnten kaiserl. Briefen noch andere Nachrichten ohne mein Wissen nach Frank­reich gesandt wurden; ich halte dies für möglich, behaupte es aber nicht, da ich es nicht erweisen kann. Ich besprach das Faktum dieser Entente-Auffassung wiederholt und sehr eingehend mit dem K., welcher erklärte, die Gründe seien ihm voll­ständig unverständlich. Se. Maj. wiederholte: Die Gerüchte unseres Ab­falls von Deutschland könnten nur das Resultat gewisser Treibereien un­verantwortlicher Politiker sein, welche falsche Nachrichten nach Deutsch­land brächten. Der Kaiser nannte Namen verschiedener pazifistischer Ver­treter aus den (3 Worte unleserlich) Kreisen, welche wahrscheinlich die Urheber dieser Gerüchte seien. Mein ursprünglicher Verdacht, daß auch diese Nachrichten auf Personen zurückgehen könnten, welche in der un­mittelbaren Umgebung des Kaisers wären (waren ?), wurde auf Grund die­ser so kategor. Erklärung des Kaisers behoben. Ich war damals wirklich überzeugt, daß ebenso unverantwortliche wie unwissende, dem K. aber fern­stehende Politiker, vielleicht in bester Absicht, aber zum großen Schaden dergleichen in Paris verbreiteten. (Randbemerkung B.) Cz. mündlich der K. nannte Lammasch (?), För­ster (1 Wort unleserlich). Ich glaube auch heute noch, daß S. Maj. in diesen Unterredungen offen und ehrlich mit mir gesprochen und auf seine Briefe nach Frankreich voll­kommen vergessen hat; nur so läßt es sich erklären, daß der K. meine Enunziation über Elsaß Loth, mit Clémenceau vom Frühjahr 1918 nicht nur billigte, sondern wünschte60). Denn er mußte sonst voraussehen, daß ich durch diese Enunziation die erfolgte Antwort Clémenceaus und die Aufdeckung seiner geheimen Briefe direkt provocierte. Als nämlich die erwähnten Gerüchte unserer bevorstehenden Trennung von Deutschland immer wieder auftauchten, entwickelte ich im Frühjahr 1918 dem Kaiser nochmals, wie kriegsverlängernd diese Taktik wirken müsse; anstatt bei der Entente keinen Zweifel in unserer Bündnistreue zu lassen und in Berlin zum Nachgeben zu (1 Wort unleserlich), seien wir in dem entgegengesetzten Fahrwasser, erwecken in Paris die Hoffnung auf unseren Abfall und die Sprengung unseres Bündnisses und streuten in Berlin Mißtrauen aus, welches uns um jeden Einfluß bringe. Diese unsere Politik sei direkt kriegsverlängernd. Der Kaiser gab dies zu und wir berie­ten über die Form, welche einzuschlagen sei, um in einer öffentlichen Enunziation Freund und Feind zu erklären, daß der K. unwiderruflich 60) Die Behauptung, daß der Kaiser den Passus über Frankreich in der Rede Czernins gebilligt — allerdings darum noch nicht besonders gewünscht — habe, wird von A. Demblin in a. a. O., S. 17, bestätigt.

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