Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

440 Robert A. Kann Vollständige Klarheit von dem Vorfall habe ich niemals erhalten, doch ist es zweifellos, daß eine verfassungsmäßig unverantwortliche Persön­lichkeit aus der unmittelbaren Umgebung des Kaisers den Bericht Erzb. übermittelte und der Kaiser nachher das Vorgefallene auf sich genom­men hat, sowie daß Erzberger sich durch diese Persönlichkeit wie durch den Kaiser selbst für ermächtigt hielt, den Bericht nicht geheimzu­halten. Ob mein Bericht vom 12. 4. tatsächlich in die Hände der Ent.-Vertre­ter gelangt ist oder nicht, konnte ich nicht einwandfrei feststellen. Die „(1 Wort unleserlich) Zeitung“ soll den Inhalt desselben bald darauf ganz offen besprochen haben und so dürfte derselbe jenseits des Schützengra­bens kein Geheimnis geblieben sein. Wenn von mancher Seite bemerkt worden ist, das Bekanntwerden dieses geheimen Berichts im Lager der Ent. hätte wenig Bedeutung gehabt, da die Kriegsmüdigkeit Ö.-U. sowieso kein Geheimnis gewesen sei — so muß darauf bemerkt werden, daß wohl auch die feindlichen Staatsmänner einen Unterschied gemacht haben dürften zwischen kriegsmüden Äußerungen einzelner Privater oder einzelner (1 Wort unleserlich) und offiziellen Ge­heimberichten verantwortlicher Minister. Der im Vorstehenden kurz recapitulierte peinliche Zwischenfall ist ab­gesehen von allem anderen deshalb von Wichtigkeit, weil er — wie dies aus dem Späteren erhellt -— der letzte Grund war, welcher die Explosion der „Brief Affaire“ im Frühjahr 1918 hervorrief. Sämtliche hier cit. Briefe des Botschafters H. (Hohenlohe) sind in meinem Besitz. V. Der Incidenzfall Erzberger, nicht nur das Faktum der Preisgabe dieser geheimen Nachrichten, sowie vielleicht noch mehr die früher aufgezählten Umstände, welche die Aufdeckung der Wahrheit begleitet hatten, hatte das Vertrauen Berlins in unsere Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit stark er­schüttert. Man vermutete offenbar an der Spree, daß dieser erwiesene Fall einer nicht (2 Woi'te unleserlich) nicht der einzige sei und fürchtete die weitere Preisgabe wichtiger militär. und polit. Geheimnisse an unsere Gegner. (5 Worte unleserlich) viele Anzeichen darauf schließen, daß die En­tente ihrerseits nicht mehr mit dem gesicherten Bestand des Vierbundes rechne. Da ich zu dieser Zeit von den „Kaiserbriefen“ keine Ahnung hatte, so vermutete ich zuerst, daß dieser Verdacht auf Preisgabe meines geheimen Berichtes vom 12. 4. zurückzuführen sei. Der Sommer und der Herbst 1917 vergingen, der Winter brach herein und trotz des Umstandes, daß Ö.-U. Truppen an die Westfront geschickt hatte und daher nicht nur (5 Worte unleserlich) von Elsaß-Lothringen

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