Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

J. M. Baernreithers und Graf O. Czernins Darstellung der Sixtus-Affaire 439 der Entente vorstellen, als sie diesen Bericht erhalten habe — in einer Zeit, wo alle Anstrengungen von Armee und Völkern gemacht werden, ihre Kraft und Siegeszuversicht zu zeigen. Hohenlohe und ich könnten nach diesen hinter unserem Rücken durchgeführten Vorgehen nicht mehr im Amte bleiben. Ich erinnerte den K. K. daran, daß Hohenlohe bereits am 13. 7. gemeldet habe, K. Wilh. habe ihm gesagt, daß gewisse Geheimtreibe­reien am Hofe gegen das Bündnis ihn veranlassen würde: „in Ö. einzumar­schieren und Prag zu besetzen“. Obwohl vom Worte bis zur Tat noch ein großer Schritt sei, beweise dies doch die Psyche, in welcher Berlin sich nachgerade befinde59). Der Kaiser war äußerst niedergeschlagen, gab den Fehler, den er vollkommen auf sich nahm, zu, beschwor mich jedoch, wir möchten unsere Demission zurückziehen. Niemand könne beweisen, daß die in die Schweiz gelangte Kopie nicht eine Fälschung sei, diese Behaup­tung werde aber unmöglich, wenn wir demissionierten, denn der Zusam­menhang werde der Entente klar sein und sie werde damit die Sicherheit für die Echtheit des Documents erhalten. Der Fehler sei nicht irreparabel, wenn wir ihn nicht selbst zur Katastrophe machen. Er versprach mir, daß er niemals wieder hinter dem Rücken seiner verantwortlichen Ratgeber han­deln werde. Die Argumentation, daß unser Ausscheiden die schädlichen Fol­gen vergrößern müßte, war richtig und so gelang es mir, Hohenlohe zur Rücknahme seiner Demission zu veranlassen und ich selbst blieb schweren Herzens im Amte. Ich glaubte an die ehrenwörtliche Versicherung des K., nie mehr hinter dem Rücken seiner Ratgeber handeln zu wollen. Deutsch­land war durch diese Indiscretion ebenso geschädigt wie wir selbst; Herr von Kühlmann war sehr unangenehm impressioniert, schien jedoch großen Wert darauf zu legen, Hohenlohe für Berlin zu erhalten und nicht durch unser Ausscheiden den (5 Worte unleserlich). Später hatte ich mit dem alten (1 Wort unleserlich) Grafen Hertling eine Unterredung über die so peinliche Angelegenheit. Auch er billigte unseren Entschluß im Amte zu bleiben und sprach im übrigen in der ihm eigenen Art ohne Groll über die „jugendlichen Fehler der Ah. Herrschaf­ten“. Man habe es gewiß gut gemeint und habe Deutschland beweisen wol­len, wie (1 Wort unleserlich) der Friede sei. Letzteres sei überflüssig, denn er sei davon durchdrungen, in Paris aber habe ein solcher Bericht natürlich große Genugtuung auslösen müssen. Man müsse jetzt alles dran­setzen, um der Entente klarzumachen, daß der Bericht viel zu pessimistisch gedacht gewesen sei und nach außen doppelte Zuversicht zur Schau tra­gen. Mein Bericht erkläre, „daß Ö.-U. nur bis zum Herbst durchhalten könne“, der Herbst sei da, die in meinem Bericht prophezeiten Folgen seien nicht eingetreten und so werde der Bericht hoffentlich bald in Ver­gessenheit geraten. 59) Psyche — psychologische Situation.

Next

/
Thumbnails
Contents