Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

438 Robert A. Kann sprochen.“ Im Berliner Amt hat man ihm (?) ein einzigesmal nur ganz oberflächlich von dem Bericht Erwähnung getan mit den 2 Sätzen: „0. komme nicht in den Ubootkrieg und befürchte innere Wirren.“ 58) Gezeigt hat man ihm in Berlin den Bericht nicht. Er — Erzberger — habe darauf geantwortet: „Dieser Wiener Standpunkt sei ja nichts Neues“, worauf die Sache in weniger als 2 Minuten abgetan gewesen sei. Er sei jedoch sodann nach Wien zu K. K. gereist, woselbst alles, was in dem erwähnten Vertrag stand, durchbesprochen worden sei. Hohenlohe, von mir darüber informiert, daß der Kaiser jede Unterre­dung mit Erzberger negiert, entgegnet, diese Behauptung sei unrichtig, worauf Erzberger aus seiner Tasche die Verständigung der Kabinetts­kanzlei hervorzog, wonach „S. M. (2 Worte unleserl.) Herrn Erzberger am 23. 4. um 5.30 nachm, in Laxenburg empfangen werde. (Stempel der Kabinettskanzlei auf dem Schriftstück und die Unterschrift: Im a.h. Auf­trag Mikesch, Sectionschef.) Erzberger teilte dem Botschafter sodann wei­ter mit, er sei bis 7.20 bei K. K. verblieben „und habe sodann von einer dem Kaiser sehr nahestehenden Persönlichkeit die Schrift erhalten, wobei er auf Grund seiner Unterredung mit dem K. K. tags vorher und nach der Art, wie ihm die Schrift übergeben wurde, den Schluß ziehen mußte, daß dies, wenn (es ?) auch nicht ausdrücklich erwähnt wurde, über Auftrag oder zumindestens mit Wissen Sr. Maj. geschah“. Auf die Frage Hohen­lohes, wer ihm das Schriftstück übergeben habe, verweigerte Erzb. die Antwort, betonte jedoch, es sei keine mit dem M. des Äußeren in Verbin­dung stehende Persönlichkeit. Hohenlohe fügte seinem Bericht bei, daß Herr Erzb. völlig offen, wahrhaft und ehrlich sprach und zweifellos tat­sächlich optima fide der Überzeugung gewesen sei, im Sinne des Kaisers gehandelt zu haben; allerdings sei er jetzt „sehr erschüttert, er habe nicht einen Augenblick geglaubt, daß die Person, die ihm das Document über­geben habe, Unrecht tue und erst jetzt komme ihm dies zum Bewußtsein.“ Hohenlohe schloß seinen Bericht mit dem Ersuchen, ich möge dem Kaiser seine (Demission?) unterbreiten, da er nach den ihn irreführenden Angaben Sr. Maj. nicht mehr im Amte (?) bleiben könne. Ich legte dem K. den Bericht Hohenlohes vor. Sr. Maj. war sehr be­troffen und verließ nach dem Lesen des Schreibens das Zimmer. Nach un­gefähr einer Viertelstunde kam er wieder und erklärte: „Er habe sich tatsächlich geirrt; auf die Audienz Erzbergers habe er vergessen und das Expose habe er irrtümlicherweise in ein an Erzberger addressiertes, mit der Schrift gefülltes Kouvert gesteckt.“ Ich erwiderte Sr. Maj., daß ich ebenso wie Hohenlohe meine Stelle niederlege. Es sei unmöglich für einen M„ im Amte zu bleiben, wenn sein K. ihm wissentlich und absichtlich die Unwahrheit sage. Abgesehen davon bat ich Se. Maj. zu bedenken, daß solche Vorfälle wie verlorene Schläge wirken, denn man könne sich die Freude 58) ö. = Österreich.

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