Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß
428 Robert A. Kann sein Verbrechen. Daher der Feldzug gegen ihn, auch der des jüngst abgeschlossenen Partherpfeiles, der ihn in den Augen der Deutschen diskreditieren soll“ 44 45). In der Zensuratmosphäre des Krieges, in welcher die Gerüchte blühten, verwischt sich hier natürlich der Unterschied — wenn er überhaupt gesehen wird — zwischen der völlig legitimen Diskussion der Elsaß-Lothrin- gen-Frage mit dem Verbündeten und der Vorgänge um den Sixtusbrief. Andererseits sieht Baernreither die Situation in seiner Eintragung vom 9. Mai 1918 im wesentlichen richtig. „Der Kaiser sagte in seiner Audienz zu Pininski, Czernin habe von der Verbindung mit Sixtus gewußt und diese Verbindung gebilligt. Ernst Tarouca hat mit dem Kaiser vorgestern auch darüber gesprochen. Der K. sagte Czernin habe von der Verbindung mit Sixtus gewußt, sie selbst benützt — er wolle aber nicht behaupten, daß Czernin von dem Kaiserbrief gewußt habe.“ Und nun fährt Baernreither fort: „Darauf kommt es aber an. Czernin hat nicht mehr behauptet, als daß er von diesem Brief nichts gewußt hat. Dasselbe soll er zu Mensdorff gesagt haben 4ä). Es folgt dann am 9. Mai die ausführliche Zitierung einer Verurteilung der Arroganz und der formellen Bildungslücken Czernins seitens des Historikers Hans Übersberger46). Am 31. Mai 1918 läßt Baernreither dann Czernin zu einer abschließenden Würdigung der Sixtusaffäre selbst zu Worte kommen. „Heute Nchm. war Czernin bei mir. Widder stellte er fest, daß er den Brief nicht gelesen habe, sondern den Text nur zu Gesicht bekam, als er von Clémenceau veröffentlicht wurde. Diese und andere Proben, die der Kaiser gegeben von dem Mangel an Vertrauen und Aufrichtigkeit (Satzstellung sic) machten es ihm unmöglich zu bleiben. Auch er versichert, daß wenn er an jenem Vormittage seine Demission nicht gegeben hätte, er sie am Nachmittag vom Kaiser bekommen hätte. ... Charakter des Kaisers ist unter dem Einfluß (der) Furcht und der Familie Parma. Argumentation schwer zugänglich, schwach und stützig. Unaufrichtig.“ Diese Anschauung wird durch die Haltung des Kaisers in der Abtretung des Cholmer Kreises an die neugeschaffene Ukraine zu zeigen versucht. „Cz behauptet ihm immer Ehrlichkeit gepredigt zu haben. Volle Selbsttäuschung. Müßte in ganz andere Bahnen gelenkt, von den jetzigen Einflüssen befreit werden. ...“ Es folgt die Skizzierung des grundsätzlichen außenpolitischen Program44) Bd. XIX. 45) Ibid. Bd. XIX, Graf Leo Pininski, früher Statthalter von Galizien und Mitglied des Herrenhauses, Graf Albert Mensdorff-Pouilly, früher Botschafter in England, Graf Ernst Silva-Tarouca, österreichischer Ackerbauminister. 46) Ibid. XIX, siehe auch die Eintragung vom 19. IV. 1918.