Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

J. M. Baemreithers und Graf O. Czernins Darstellung der Sixtus-Affaire 427 Fragen der öffentlichen Meinung erfahrenen Wiener Bürgermeisters Dr. Weiskirchner fort: „Noch nie war ein Staatsmann so populär wie Cz., nicht einmal Lueger in seiner besten Zeit.“ Demgegenüber wird der radikale Popularitätsverlust des Kaisers her­vorgehoben. „... Es (das Volk) glaubt, daß der Kaiser gelogen hat.“ Dann wird auf die großes Mißtrauen erweckenden Beziehungen der Familie der Kaiserin mit dem feindlichen Ausland hingewiesen und es wird klar festgestellt: „Wenn der Brief zu widerlegen wäre, so hätte es geschehen müssen. Cz. hat nichts gewußt“ 42). Es folgt dann am 5. Mai 1918 eine Eintragung über den Besuch Kaiser Karls anfangs April 1918 im Hauptquartier des deutschen Kaisers, der im Hinblick auf das folgende Bedeutung zukommt. „... Fürstenberg erzählte ... heute aus dem d. Hauptquartier: K. Karl u. Czernin seien bald nach dem 31. III. 17 (Datum der K. Briefe) ins d. Hauptquartier gekommen u. da habe allerdings K. Karl den K. Wilhelm gefragt, ob sich nicht irgend etwas mit Elsaß-Lothringen machen lasse, um den Frieden zu sichern. Czernin soll mit derselben Sache beim d. Kronprinzen angeklopft haben, soll aber von ihm ,die Treppe hinuntergeworfen' worden sein. Dazu kommt, daß damals (21. III. 17) Czernin in einer sehr pessimistischen Stimmung gewesen ist, wo ihm solche Anschauungen lagen“ 4S). Am 8. Mai spricht Baernreither nochmals von Intrigen der Familie der Kaiserin, und schreibt dann: „In diesen Luftschlössern wohnt aber der Verrat an unserer ganzen bisherigen Politik. Daß Czernin auf ihr unerschütterlich bestand ist 43 42) Ibid. XIX; Redlich II, 267 weist in einer Tagebucheintragung vom 19. April auf eine fast identische Bemerkung Weiskirchners hin. 43) Ibid. XIX. Es handelt sich hier um den Bericht des Fürsten Max Egon Fürstenberg, der als intimer Freund des deutschen Kaisers galt. Wenn man von der nicht ganz richtigen Datierung und den offensichtlich nicht ernst zu nehmenden übertriebenen Redewendungen absieht, wird die Darstellung im wesentlichen durch Polzer, der sich im Gefolge des Kaisers befand, aber aller­dings an den wesentlichen Besprechungen nicht teilnahm, bestätigt. Polzer, a. a. O., 343 f. Siehe auch A. v. Cramon, Unser österreichischer Bundes­genosse ... , 111 f. Am wichtigsten ist hier aber wohl die Aussage Ludendorffs in E. Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen, 350 ff., die gleichfalls mit den anderen Darstellungen in den Hauptpunkten durchaus übereinstimmt. Luden­dorff hatte übrigens bedingungsloses Vertrauen in Czernins Loyalität zum deutschen Bündnis. Über die Reaktion in Berlin siehe auch die Eindrücke Hohen­lohes in Hantsch, Berchtold, II, 820 f. Unrichtig, aber eigentlich auch unwesentlich dürfte hingegen die Bemer­kung über die Haltung des deutschen Kronprinzen sein. Czernin hätte in seinem „Im Weltkrieg“ 96 f. kaum so anerkennend über die gemäßigte Haltung des Kronprinzen im August 1917 gesprochen, wenn es wenige Monate vorher zu einem offenen Konflikt mit diesem gekommen wäre. Siehe diesbezüglich auch R. Fester, a. a. O., 174, 263 ff.

Next

/
Thumbnails
Contents