Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

426 Robert A. Kann erklärte ihm nur, daß sein Rücktritt gerade von dem Standp. den der Kaiser immer einnehme: Österreichs Stellung gegen D. zu behaupten ein großer Fehler war ... Czernin dankte für die freundliche (ein Wort unleserlich) etwas ironisch. Dann kamen wir auf seinen Nachfolger. Er weiß nichts ... Beim Abschied zeigte er doch etwas wie seelische Bewegung, aber sein Stolz oder besser gesagt sein Hochmut ließ sich nichts merken. Er gab mir lang die Hand u. hatte feuchte Augen“ 39). Auf diese Eintragung, die dem im Schriftum überwiegend vorherr­schenden Bild von Czernin vielleicht nicht ganz entspricht, folgt eine vom '16. IV., nach der sich der Kabinettsdirektor Graf Polzer, Baernreither gegenüber — wahrheitsgemäß — gegen das Gerücht verwahrt, er sei der Verfasser des Sixtus-Briefes. Im übrigen bemerkt er, daß weder Kaiser noch Kaiserin fähig wären, einen solchen Brief zu schreiben. „Der Kaiser kann nicht französisch schreiben. Der Brief kann ihm also deutsch vorgelegt worden u. dann sehr frei übersetzt worden sein. Solche Dinge werden heute erzählt und geglaubt. Sonnenklar, daß zw. dem Kaiser u. Cz. seit langem tiefgehende Differenzen. Cz. auch nicht die Art mit dem Kaiser richtig umzugehen. Sein Hochmut, den er selbst seine alten Freunde fühlen ließ, hat ihn offenbar große Fehler mit dem Kaiser begehen lassen. Jetzt gibt er sich sehr kaisertreu, ver­teidigt den Kaiser blind, aber so blind, daß ihm niemand glaubt“ 40). Am folgenden Tag hat sich Baernreithers bis dahin freundliche und positive Stellungnahme gegenüber Czernin merklich gewandelt. Dies wird kaum hinreichend durch den hier angeführten Umstand erklärt, daß Czernin während seiner früheren Amtsführung in Personalfragen eine gewisse Rücksichtslosigkeit und Willkür zeigte und u. a. auch die Ernen­nung seines Bruders zum Gesandten in Bulgarien durchgesetzt hatte41). „In dem Ganzen eine (ein Wort nicht klar lesbar) Willkür ohne Gleichen. Diese Großböhmen springen mit ihren Beamten um wie mit ihrem Meierhofverwalter. Czernin hatte auf dem Ballplatz nicht einen Freund, hat alle Beamten schlecht und vor allem launenhaft behandelt.“ So richtig diese Tatsachen sein mochten, zweifellos waren sie nicht neu. Am 18. April setzt dann Baernreither mit offenbar gemischten Ge­fühlen und insbesonders unter dem Eindruck der Anschauungen des in * 44 39) Ibid. Bd. XIX. 4°) Ibid. Siehe auch die Eintragungen vom folgenden Tag, dem 17. IV. Sixte de Bourbon, in L’offre de paix séparée ... 92 ff., erklärt ausdrücklich, der Kaiser hätte den Brief selbst geschrieben, was natürlich nicht ausschließen würde, daß er ihn nach einer Vorlage abgeschriehen habe. Wie dem aber auch sei, die kaiserliche Verantwortung würde dadurch in keiner Weise berührt. 44) Ibid., XIX. Über diese Ernennung siehe J. Redlich, a. a. 0„ Bd. II, 181, 186, wonach der frühere Ministerpräsident v. Korber diese Wahl lebhaft kritisierte, während Czernin gegenüber Redlich hervorhebt, der König von Bulgarien habe diese Ernennung geradezu verlangt.

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