Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

J. M. Baemreithers und Graf O. Czernins Darstellung der Sixtus-Affaire 425 noch nicht reingewaschen. Sehr stark u. wiederholt betonte er, daß durch den Zwischenfall das Bündnis gefestigt worden sei, was das heute Nachm, erscheinende Telegramm des K. Wilhelm beweisen werde36). Darin gab ich ihm Recht. Es wird die Wirkung eines reinigenden Gewitters haben“ 37). In der Eintragung vom folgenden Tag, die offenbar auch Baemreithers damalige Ansicht widerspiegelt, bemerkt er dann, daß man allgemein der Ansicht sei, „daß Czernin von den Briefen nichts gewußt hat, aber daß es unvorsichtig von ihm war Clémenceau anzuschießen.“ Nach einem Hinweis auf Gerüchte, daß die Parmas die Restauration in Frankreich anstreben, fährt Baernreither fort: „Allgemein wird das Telegramm des Kaiser Karl an K. Wilhelm citiert38). Ich erklärte gestern Czernin, daß ich es für ganz verfehlt halte, phrasenhaft, roh (ein Wort unleserlich) Czernin zuckte die Achseln u. sagte, es sei nicht von ihm, er sei nicht in Wien gewesen als es gemacht wurde ...“ Am folgenden Tag, dem 15. April, fährt Baernreither fort: .Katastrophe“ ist der mindeste Ausdruck, der heut in aller Mundle ist. Katastrophe für den Kaiser und die Dynastie, für unser Bündnis und für unsere inneren Verhältnisse“. Und noch am selben Tag, also schon nach Czernins angenommener Demission folgt eine zweite Eintragung von besonderer Bedeutung. „Früh zeitlich bei Czernin. Sehr formell erklärte er mir so­fort: der Kaiser hat den Brief nicht geschrieben u. ist unschul­dig wie ein neugeborenes Kind. Er scheide aus dem Amt weil er seit einiger Zeit das Vertrauen des Kaisers nicht mehr besitze. Ich anwortete darauf, daß es in ganz Wien keinen Menschen gäbe, der nicht überzeugt sei, daß der Brief existiere. Nachdem er mir eine formelle, jede weitere Erörterung ablehnende Erklärung gegeben habe, muß ich sie akzeptieren, aber könne meine Meinung nicht unterdrücken. Ich müsse deswegen sagen, daß man ihm allseitig den Vorwurf mache, daß er demissioniert habe. Er hätte um jeden Preis ausharren müssen, wie immer die Sache gewesen sei, denn sein Rücktritt sei eine Katastrophe. Darauf antwortete er abermals, er könne über die näheren Umstände seines Rücktrittes nichts anderes sagen, als daß er das Vertrauen nicht mehr besessen habe. Übrigens hänge das Bleiben eines Ministers ja nicht allein von ihm ab u. so fuhr er fort, könne man beispielsweise gesprochen, sich wohl denken, daß ein Minister weggeschickt wird. Im übrigen umgab er sich wie mit dem Stacheldraht seiner formellen Erklärung u. ich machte daher gar nicht den Versuch, weiter in ihn zu dringen. Ich 36) Bezieht sich auf die Antwort auf das Telegramm Kaiser Karls, nachdem die Affäre „durch meine Kanonen im Westen“ bereinigt werden solle. 3U Bd. XIX. 38) Siehe Anmerkung 40.

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