Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

424 Robert A. Kann weit Bezug genommen, als er entweder auf Information durch Czernin beruht oder ein Werturteil über den Kaiser und Czernin enthält. Schon in einem Gespräch mit Czernin am 1. April 1918, also am Tag vor Czernins erster öffentlicher Anspielung auf die Verhandlungen mit Frankreich, teilt dieser Baernreither mit, er sei mit Clémenceau vor Beginn der deutschen Offensive in Verbindung gestanden. Der Umstand, daß Czernin es ablehnte, die Elsaß-Lothringenfrage zu behandeln, hätte aber zum Abbruch dieser Fühlungnahme geführt32). Die nächsten Tagebuch­eintragungen vom 12. April führen dann schon mitten in die Affäre und sind im Zusammenhang dieser Arbeit von besonderem Interesse: „Aufsehen, das der Brief des K. Karl gemacht hat, ungeheuer. Sein Dementi wird bekrittelt; ist auch nicht glücklich abgefaßt. Heute früh bei Czernin. Er erklärt: Noch nie habe er den Kaiser in hellem Zorn gesehen. Diesmal war er heftig und außer sich, sprach von ,Schweinerei“ und gab Czernin sein heil(?) Wort33), daß er den Brief nicht geschrieben habe. Weiter erklärte mir Cz. warum er in seiner Rede die Sache von Clémenceau vorgebracht. Es sei dies absichtlich geschehen, um alle diese giftigen Verbindungen abzuschneiden und für die Zukunft unmöglich zu machen. Ob das eine Erklärung ex post ist, weiß ich nicht. Er meinte, e r wüßte wie viel Urheber diese Verbindungen schaffen, nannte Lam­masch, Förster, Meinl u. tutti quanti als gefährliche Zwischenträger. Als ich aber meinte, die seien wohl weniger gefährlich als die Parma(s), antwortete er, dies seien die Verwandten seines Kaiser u. wich aus, indem er abermals auf die genannten Herren hinwies 34. Ganz stimmte die Geschichte nicht, denn die Verhandlungen Revertera-Armand hat doch er selbst in Gang gebracht u. ich wiederholte ihm meine Ansicht, daß er durch den Angriff auf Clémenceau sich selbst die Wege solcher Verhandlungen verschüttet habe. Darauf er: auf diese Weise sei mehr Gift verbreitet worden als Nutzen. Der Kaiser muß intakt herauskommen sagte er als er abermals auf die Parmaverbindungen hinwies35 *). Dann erkundigte er sich, was man über seine Stellung spreche, worauf ich: man sei überzeugt, daß er von diesen Machenschaften nichts gewußt habe. Auf meine wiederholt geäußerte Ansicht, daß, wenn es nicht der Kaiser war, was man jetzt ja glauben würde, so sei seine Umgebung sä) Ibid., Bd. XIX. 33) Ein Fragezeichen nach einem Wort zeigt einen Zweifel hinsichtlich der Eindeutigkeit der Transskription an. 34) Siehe auch F. W. Förster, Erlebte Weltgeschichte, Nürnberg 1953, 209, 219, 236 ff., nach dem der Kaiser ihn nun in Bezug auf die bundesstaat­liche Umwandlung Österreichs und nicht wegen eines Sonderfriedens konsul­tierte. Siehe weiters H. Benedikt, Die Friedensaktion der Meinl-Gruppe 1917/18, Wien 1963, passim. 35) Tatsächlich hat, wenn man dieser Darstellung genau folgt, nicht Czernin, sondern Baernreither selbst auf die Parmaverbindungen hingewiesen! Der Widerspruch ist nicht aufgeklärt!

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