Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

J. M. Baernreithers und Graf O. Czernins Darstellung der Sixtus-Affaire 423 reithers von diesem Pessimismus frei zu sein. Seine Eindrücke von der Abschiedsaudienz des scheidenden Kabinetts Clam-Martinic sind laut Ein­tragung vom 30. Juni 1917 die folgenden: „Voller Jugendfrische, voll Wohl­wollen, aber des Ernstes der Lage nicht bewußt28).“ Es folgen dann mehrfache und ausführliche Eintragungen über die politische Amnestie vom 2. Juli 1917, die bekanntlich von den deutsch­gesinnten Kreisen, denen Baernreither angehörte und denen Czernin nicht fernstand, streng verurteilt wurde. Die Angelegenheit muß in diesem Zu­sammenhang erwähnt werden, weil Czernin hier eine kaiserliche Entschlie­ßung, von der er erst nachträglich informiert wurde und die er verurteilte, doch Baernreither gegenüber verteidigte und es ablehnte, die Verantwor­tung auf andere abzuschieben29). Beachtlich ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Eintragung vom 7. Juli: „Er (Czernin) empfing mich mit der Entschuldigung, daß er neu­lich in Sachen der Amnestie mit mir gespielt habe. Aber er habe den­noch geglaubt, den Kaiser mit seiner Person decken zu können. So hatte ich es aufgefaßt.“ Im Hinblick auf die Czernin später, freilich in anderem Zusammenhang vorgeworfene Illoyalität gegenüber dem Kaiser, kann man dieser hiermit im Widerspruch stehenden Haltung vom Juli 1917 eine gewisse Bedeutung nicht absprechen 30). In der Eintragung vom 23. I. 1918 zollt Baernreither Czernins ge­schickter Behandlung der Friedensverhandlungen von Brest Litowsk, ins- besonders des kritischen polnisch-ukrainischen Konfliktes hohes Lob. Noch unter diesem Eindruck stehend schreibt er dann am 27. I.: „Als Czernin am Anfang seiner Laufbahn in Prag einmal bei mir war und ich zum erstenmal eingehend (über) Politik mit ihm sprach, fällte ich in einem Brief an Nostitz das Urteil über ihn: noch ungego- rener Wein, aber von der besten Sorte ...31)“ C. Es schließen sich nunmehr die Aufzeichnungen Baernreithers über die Sixtusaffäre an, die von der folgenden zusammenhängenden Darstellung Czernins wohl zu unterscheiden sind, wie sie wortgetreu von Baernreither niedergelegt wurde. Auf Baernreithers eigenen Bericht wird hier nur inso­28) Ibid. 2») Ibid. Eintragungen vom 4. bis zum 9. Juli 1917. Polzer, Kaiser Karl, 421—449, siehe insbesonders 431, 444 f. Das Zeugnis Polzers, des erbitterten Gegners Czernins, hat hier besonderen Wert. so) Ibid. Zur Zeit, als Czernin Baernreither diese Erklärung abgab, stand die Nichtbeteiligung des Außenministeriums an der Amnestie nicht mehr in Frage, so daß hier von einer Indiskretion Czernins kaum gesprochen werden kann. 3i) Ibid.

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