Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß
416 Robert A. Kann Von diesen gibt es erstaunlich wenige und von den wenigen bezieht sich nur eine noch engere Auswahl auf die unmittelbare Darstellung der Protagonisten der Tragödie. Der Kaiser hat natürlich selbst nichts veröffentlicht. Die Aufzeichnungen Werkmanns wurden erst mehrere Jahre später verfaßt und geben keine sachlich zusammenhängende Aufklärung. Czernin vermeidet es, in seinen Weltkriegserinnerungen die Frage direkt zu berühren. Das gilt auch noch für einen Vortrag, den er kurz nach dem Zusammenbruch im Dezember 1918 gehalten hat. Schon aus zwei kurzen Bemerkungen in den Erinnerungen, die sich auf den Prinzen Sixtus beziehen, und aus grundsätzlichen Erklärungen in dem Vortrag vom Dezember 1918 geht aber eindeutig hervor, daß er die Vorstellung eines Separatfriedens oder auch nur mittelbar damit verbundener diplomatischer Schritte schroff abgelehnt hat, beziehungsweise seine Haltung so verstanden wissen will8). Czernin hat meines Wissens ein einziges Mal, wenn auch in ganz gedrängter Form, zu der Sixtus-Affäre direkt Stellung genommen und zwar in einer in der Neuen Freien Presse vom 17. Jänner 1920 veröffentlichten Erklärung9). Hier wird wiederum hinsichtlich der Möglichkeit eines Separatfriedens die oben erwähnte negative Haltung eingenommen und auch die Kenntnisnahme von einem Friedensangebot der italienischen Regierung in Abrede gestellt. Im letzten Absatz der Erklärung wird mittelbar, aber doch völlig eindeutig, die Mitwisserschaft hinsichtlich des Sixtusbriefes in Abrede gestellt. Soweit Czernin. Ausführungen des deutschen Militärbevollmächtigten beim k. und k. Armeeoberkommando zu nennen: A. v. Cramon, Unser österreichisch-ungarischer Bundesgenosse im Weltkrieg, Berlin 1920, 151—64. Der kaiserliche Standpunkt wird in den Alterserinnerungen von Friedrich Funder vertreten: F. Funder, Vom Gestern ins Heute, Wien, 1952, 561—65. Cramon und Funder mögen als typische Beispiele jener Autoren dienen, die von den Hauptakteuren, dem Kaiser und Czernin, bis zu einem gewissen Punkt informiert wurden, aus eigener Wahrnehmung jedoch keine neuen Umstände beibringen konnten. Die fesselndste Darstellung der Eindrücke und Stimmungen maßgebender österreichischer Zeitgenossen, die durch die Affäre hervorgerufen wurden, findet sich im politischen Tagebuch Josef Redlichs, Schicksalsjahre Österreichs, Band II, Wien 1954, 264—75. Wiederum handelt es sich aber meist um Informationen aus zweiter Hand. Schließlich sei auf die kurzen, aber wichtigen Eintragungen in den Tagebüchern des Grafen Berchtold verwiesen, die teils auf direkten Mitteilungen des Kaisers ihm gegenüber, teils auf solchen des Obersthofmeisters Grafen Josef Hunyády, des früheren Botschafters in Paris Graf Nikolaus Szécsen, und des Botschafters in Berlin Prinz Gottfried Hohenlohe beruhen. Siehe H. Hantsch, Leopold Graf Berchtold, Graz 1963, Bd. II, 815 ff., 820 ff. Berchtolds Mitteilungen, die im Text dieser Arbeit nicht mehr berücksichtigt werden konnten, bestätigen im allgemeinen die bekannten Tatsachen. 8) Ottokar Czernin, Im Weltkrieg, Berlin 1919, 74, 223, Ottokar Czernin. Über die Politik des Weltkrieges, Wien 1918, 33. Dies steht im Einklang mit den in seinen Weltkriegserinnerungen näher ausgeführten Grundlinien seiner Politik. 9) Abgedruckt auch in Polzer-Hoditz, a. a. O., 604 f., Appendix XII.