Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

KANN, Robert A.: Joseph Maria Baernreithers und Graf Ottokar Czernins fragmentarische Darstellung der Sixtus-Affaire. Auf Grund der Aufzeichnungen und Dokumente im Baernreitherschen Nachlaß

J. M. Baernreithers und Graf 0. Czernins Darstellung der Sixtus-Affaire 413 dem Leser kurz in Erinnerung gerufen. Die Vorverhandlungen zwischen dem Vertrauensmann des Kaisers, seinem Jugendfreund Graf Támas Erdödy, und den im belgischen Heer dienenden Brüdern der Kaiserin, den Prinzen Sixtus und Xaver von Bourbon-Parma, in Neuchatel in der Schweiz, gehen auf den Februar 1917 zurück. Im März 1917 reisten die Prinzen bekanntlich streng inkognito, doch mit Wissen und mittelbar im Auftrag der französischen Regierung nach Österreich und trafen im Schloß Laxenburg mit dem Kaiserpaar, aber auch mit Czernin zusammen, der die Prinzen übrigens auch in Erdödys Stadtpalais sah. Als sie am 24. März kurz vor ihrer Abreise in die Schweiz nach Laxenburg zurück­kehrten, übergab der Kaiser dem Prinzen Sixtus das vorher abgesprochene berühmte, undatierte, aber wohl am 23. oder 24. März redigierte Schreiben. Möglicherweise nach einer Vorlage des Prinzen Sixtus verfaßt, ist es als sogenannter Sixtusbrief in die Weltgeschichte eingegangen. Die Interessen des deutschen Verbündeten wurden in diesem insofern berührt, als die Wiederherstellung der Souveränität Belgiens im vollen territorialen und rechtlichen Umfang gebilligt, ja geradezu verlangt wurde. Vor allem bemer­kenswert war aber die Erklärung hinsichtlich Elsaß Lothringens. „.. . Pour manifester d’une facon précise la réalité des ces sentiments, je te prie de transmettre secrétement et inofficiellement ä M. Poincaré, président de la République Framjaise, que j’appuierai par tous les moyens et en usant de toute mon influence personnelle auprés de mes allies les justes revindi­cations francaises relatives ä l’Alsace Lorraine.“ *) Die Besprechungen wurden, im Hinblick auf die vertrauliche, aber keineswegs offizielle Mis­sion des Prinzen, anfangs Mai in Laxenburg fortgesetzt, als die Prinzen wiederum unter Mithilfe des Grafen Erdödy in geheimer Mission nach Österreich zurückkehrten. Diesmal übergab der Kaiser dem Prinzen Sixtus ein vom 9. Mai datiertes Schreiben, den zweiten Sixtusbrief, zugleich aber auch ein Memorandum des Grafen Czernin, welches Gebietsabtretun­gen der Monarchie ohne Kompensation strikt ablehnte. In Bezug auf den zweiten Sixtusbrief bestand Unklarheit hinsichtlich eines vom Kaiser darin erwähnten italienischen Friedensangebotes, das aber von italienischer Seite später bestritten wurde* 2). Diese Frage wurde aber insofern bedeutungslos, als die von den bourbo- nischen Prinzen durchgeführte Vermittlungsaktion überhaupt nicht weiter­1) [Prince Sixte de Bourbon], L’offre de paix separée de l’Autriche, Paris 1920, appendix in facsimile. Dieses Buch wurde tatsächlich von G. de Manteyrer im Aufträge des Prinzen geschrieben. 2) [Sixtus de Bourbon] a. a. O. 131 ff., 177 ff. und Graf Arthur Polzer- Hoditz, Kaiser Karl. Aus der Geheimmappe seines Kabinettschefs. Wien 1929, 352 ff., die beide die Realität eines italienischen Angebotes bejahen; und Richard Fester, Die Politik Kaiser Karls. München 1923, 101, 119 ff., der dessen offi­ziellen Charakter verneint. Im folgenden beziehen sich aber Hinweise auf den „Sixtusbrief“ auf das erste kaiserliche Schreiben vom März 1917.

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