Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

PÁSZTOR, Lajos: Die ungarischen Katholiken und der Erste Weltkrieg

Die ungarischen Katholiken und der Erste Weltkrieg 407 keit Und er fragt sieh: „Wißt ihr, welches der moralisch beste Erfolg des Krieges wäre? Dies wäre“, antwortet er, „wenn man den Krieg für die Zukunft ausschalten würde; wenn die zivilisierten Völker, das ver­gossene Blut und die Berge von Leichen sehend, vor jedem Krieg zurück­schreckten und einen Weltkongreß halten würden, um diese Geschichte zu begraben, deren wichtigste Vorkommnisse menschliche Blutbäder sind; wenn man einen Grabstein errichten würde mit der Inschrift: Hier ruht der Krieg und wird nicht wieder auferstehen“ * 52 53). Bischof Prohászka ermangelte nicht, den unter dem Krieg Leiden­den Trost zu bringen und den Menschen zu formen inmitten der Barbareien des Weltkrieges58). Er verstand sehr wohl die innere Not der durch den Krieg geprüften Menschen; er selbst — sein Tagebuch gibt davon Zeugnis — hatte deswegen im Innersten sehr gelitten. In seiner Hirtentätigkeit herrschten also diese Sorgen vor. Ebenso bemühte er sich um die Besserung der Einzelnen, da er überzeugt war, daß dies die Voraussetzung für die Verwirklichung eines sicheren und bleibenden Friedens sei54). Er fuhr fort, innerlich zu betrachten und sich abzuquälen im Gedanken an den Widerspruch zwischen Krieg und christlichem Geist. „Der Krieg vermengt den Heroismus mit tierischer Wut. Das Christentum erkennt das Schwert an und achtet es, und die christliche Moral spricht von gerechtem Krieg. Wer wird recht haben?“, fragte er sich in seinem Tagebuch am 15. Mai 19 1 6 55). Aber die Antwort hatte er schon gegeben: „Wir denken, daß unser Krieg nicht aus Gott ist, daß er nicht eingegeben wurde von Gefühlen der Güte, der Liebe, der Geistigkeit, sondern von all dem, was in dieser Welt gottfeindlich ist: Augenlust, Fleischeslust, Hoffart des Lebens. Diese Übel haben heutzutage andere Namen: sie heißen Caesarismus, Czarismus, Imperialismus, Militarismus, Kapitalismus, Ras­senhaß; aber alle haben ihre Wurzeln im Bösen ___Man kann sich also s i) Bd. X, S. 241 (1915). 52) Bd. X, S. 258 (1915); vgl. auch Bd. X, S. 299 (1915): „Man hat viel geschrieben und geredet von den moralischen Wirkungen des Krieges und man wird noch davon sprechen. Damit will ich keineswegs behaupten, daß der Krieg moralisch sei. Der Krieg ist nicht moralischer als die Gewalttätigkeit, die Pest, die Krankheit; aber daraus können starke moralische Energien hervorgehen; unter dem Druck der Leiden können große ethische Kräfte hervorquellen und wir können reinerer Horizonte, edlerer Gefühle, gründlicherer und mehr begei­sternder Anregungen teilhaftig werden. Wir können infolge der Kriege besser werden, gläubiger, gottesfürchtiger, wenn die vielen Leiden uns bessere Selbst­erkenntnis vermitteln. Die größte moralische Wirkung des Krieges wäre es, wenn es uns gelänge, ihn bitter zu hassen und wenn wir eine Welt ohne Krieg aufbauen könnten. Nur eine edle Menschheit von reiner Seele kann dieses Pro­gramm wollen und verwirklichen.“ 53) Bd. I, S. 273—274; 280 (1915). 54) Bd. XXV, S. 245—248 (1914), Bd. I, S. 270 (1915); vgl. Bd. IX, S. 184 (1914), S. 195—199 (1915), Bd. I, 273—274, 279—280 (1915). 55) Bd. XXIII, S. 301 (15. Mai 1916).

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