Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

PÁSZTOR, Lajos: Die ungarischen Katholiken und der Erste Weltkrieg

408 Lajos Pásztor keinen größeren Kontrast denken als den zwischen Krieg und Religion, weil wir behaupten, glauben und verkünden, daß der Krieg der Sünde entspringt und daß deshalb Krieg ist, weil wir sehr wenig Gott in uns tragen“ 66). Die Unvernunft der Gewalt und der ethische Geist des Christentums sind durch einen Abgrund voneinander getrennt67). Der Bischof erwählte das evangelische Ideal, das uns Jesus in der Bergpredigt darstellt. Nun nahm er nicht einmal mehr die Idee des gerechten Krieges an 5S * * *). „Wo ist jene Gerechtigkeit, jenes Recht, das soviele Grausamkeiten zu verlangen oder auch nur zu verteidigen wagte? Man spricht von gerechten Kriegen, aber ... seht die Schlachtfelder! Ist es möglich, diese allgemeinen Blutbäder in die Grenzen des Rechtes und der Gerechtigkeit einzubeziehen? ... Der Krieg kann weder erklärt noch gemildert werden durch die Ge­rechtigkeit und das Recht, eben weil der gerechte Krieg ebenso grausam und unmenschlich ist wie der ungerechte Krieg; beide berauben den Menschen seiner Menschlichkeit. Es handelt sich nicht um das Problem des Rechtes oder des Nicht-Rechtes, sondern es handelt sich um den Krieg. Herz und Sinn nehmen daran Anstoß und fragen: Wie ist es mög­lich, daß der zivilisierte Mensch und überdies der christliche Mensch die Lehren des Glaubens, der Liebe, der Brüderlichkeit, der Kultur, der Güte und der Schönheit, der Tugend und der Vollkommenheit vergesse?“ 59). Prohászka schrak deshalb nicht nur vor dem Krieg zurück, sondern er wollte, daß man ihn ausschalte60). Er sah in der Tat den Krieg nicht als eine unvermeidliche Notwendigkeit an 61). Offenbar waren ihm die ver­schiedenen Umstände nicht unbekannt, die zu nationalen Spannungen führ­ten; noch entgingen ihm die starken Kontraste in den wirtschaftlichen Interessen oder die nationalistischen und die Rassenvorurteile. Diese konnten und mußten aber überwunden werden. Es mußte nach seiner Mei­nung „jener Grad der wirtschaftlichen, sozialen, ethischen und religiösen Entwicklung erreicht werden, der der Welt den Frieden sicherstellen 66) Bd. X, S. 292 (1915). 5?) Bd. XXII, S. 127—129 (1915). 58) Bd. X, S. 244 (1915): „Wir schöpfen vollständig den ethischen Gehalt des Krieges aus, wenn wir sagen, daß die Staaten aus gerechten Beweggründen Krieg führen können; wieviel aber dann Moral in diesen sogenannten gerechten Beweggründen zu finden ist, das zeigt uns die Geschichte und noch klarer unsere gegenwärtigen Erfahrungen; denn nun können wir sehen, was ,gerechte Beweg­gründe’ für einen Franzosen, Engländer, Japaner, Russen bedeuten“. s«) Bd. X, S. 284 (1915). 60) Bd. XXV, S. 168 (1915): „Ich bin davon überzeugt, daß in der geistigen Welt der Gedanke reift, den Krieg auszuschalten, und ihn als soziales, juridisches und theologisches Verbrechen zu erklären. Die edle Überzeugung bricht sich Bahn, der Krieg sei eine Erscheinung niederen Grades, ein Überbleibsel unserer alten Barbarei und daß wir sie verlieren, je mehr wir fortschreiten.“ Vgl. auch XXII, S. 129 (1915). «i) Bd. X, S. 150—151 (1917).

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