Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

CSÁKY, Móric: Die ungarische Wegtaufenverordnung von 1890. Ein Beitrag zur Geschichte des Kulturkampfes in Ungarn

388 Móric Csáky machte er auch Yaszary den Vorschlag, der Hl. Stuhl möchte doch den Geistlichen verbieten, von der Kanzel herab zu politisieren und Wahlkam­pagnen zu führen, was in letzter Zeit öfter vorgekommen sei. Der Primas verstand den Minister nicht genau und glaubte, der Vatikan sollte die Wahlen direkt, im Sinne der Regierungspartei natürlich, beeinflussen. Einen solchen Einfluß auf die inneren Angelegenheiten Ungarns von Seiten der Kirche mußte er natürlich ablehnen: er machte den Minister in seiner Antwort darauf aufmerksam, daß auch Bismarck dem Papst eine ähnliche Bitte vorgelegt habe und daß sich damals gerade der katholische Windt- horst entschieden dagegen aussprach* 94). Doch auch nach der Wahl wollten die kirchenpolitischen Streitigkeiten in der breiten Öffentlichkeit kein Ende mehr nehmen. „Die Geistlichen und Klerikalen griffen uns immer offener und verwegener an, uns, die wir uns genötigt sahen, das Ansehen und die Gesetze des Staates zu vertei­digen. Und schließlich, was das wichtigste war, betonte man uns gegenüber immer eindringlicher, daß der König unser Vorgehen nicht billige“. So kam Csáky auf den Gedanken, der Kaiser selbst könnte diesen Gerüchten ein Ende setzen, indem er in seine Thronrede, mit der am 22. Februar 1892 der neue Landtag eröffnet werden sollte, einen Passus einfließen ließe, der klar zu erkennen gäbe, daß „er den Frieden wolle“ : zugleich sollte er „seinen schmerzlichen Gefühlen Ausdruck verleihen, daß gegen­wärtig oft die kirchlichen und staatlichen Interessen aneinandergeraten und daß er hoffe, die von allen Seiten erwiesene unerschütterliche Treue gegen Heimat und Thron werde so bald als möglich eine gegenseitige Garantie der Interessen schaffen“. Die Kollegen des Ministers stimmten in der Ministerratskonferenz vom 9. Februar für diesen Vorschlag (Justizminister Szilágyi hielt den propo- nierten Text zwar für viel zu milde!) und beauftragten Ministerpräsident Szapáry, mit dem Kaiser den besagten Passus zu besprechen. So begab sich dieser nach Wien, kehrte aber bald wieder unverrichteter Dinge zu­rück: der Kaiser wolle gerade von jenem Satz nichts wissen. Csáky hin­gegen bestand auch weiterhin auf seinem Vorschlag. Daher wurde er und der Ministerpräsident telegraphisch aufgefordert, erneut vor seiner Majestät zu erscheinen. Noch am Tage ihrer Ankunft in Wien machte Minister Szögyény-Marich Csáky darauf aufmerksam, daß der Herrscher haben Schopper zu seinem Hirtenbrief beglückwünscht. Rom war anderer Mei­nung und erklärte sich mit dieser Methode nicht einverstanden. Vgl. Salacz, Kultúrharc 129. 94) Schreiben Vaszarys an Cs. vom 10. II. 1892 als Beilage zur Denkschrift. Es handelte sich hierbei um das Eintreten des Hl. Stuhles für das vom Zentrum abgelehnte Septennat (1887). Vgl. dazu J. B. Kissling, Geschichte des Kultur­kampfes III (Freiburg 1916) 331 ff. und K. Bachem, Vorgeschichte, Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei IV (Köln 1928) 148—217 (Rede Windthorsts S. 192—95).

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