Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

CSÁKY, Móric: Die ungarische Wegtaufenverordnung von 1890. Ein Beitrag zur Geschichte des Kulturkampfes in Ungarn

Die ungarische Wegtaufenverordnung von 1890 387 Geistlichen zur Übersendung des Taufscheines von weggetauften Kindern an den protestantischen Geistlichen anhielten. Damit wollte er beweisen, daß ein Großteil der Bischöfe vor 1890 gegen eine solche Verfahrensweise anscheinend keine „dogmatischen“ Einwände zu machen hatte, und daß er selber daher, als er die Wegtaufenverordnung erließ, ohne weiteres glau­ben durfte, wenigstens nicht gegen die Intention des Episkopats zu handeln. Vaszary war über dieses Doppelspiel der ungarischen Bischöfe ehrlich ent­rüstet und anerkannte des Ministers Argumentation91). Der neue Primas war selbstverständlich auch bemüht, die Einstellung des Vatikans zu dieser Frage genauestens kennenzulernen. Schon am 22. Jänner konnte er dem Minister über das erste aus Rom erhaltene Schreiben unterrichten, dessen Inhalt aber Csáky nicht im geringsten zu­friedenstellen konnte. Wurde doch darin nur über die Art und Weise, wie die Matrikeln zu bestimmten Zeiten abgeliefert werden könnten, gesprochen; ferner proponierte die Kurie wieder die Änderung des so odiosen Misch­ehengesetzes von 1868. Der Primas bat, die Regierung möge doch wenig­stens die Möglichkeit einer Änderung von 1868 nicht ausschlagen: allein durch eine solche Haltung ließe sich in Rom schon viel erreichen. Csáky bemerkt zu diesem Ansinnen: „Was der Primas in fast naiver Art für möglich hielt (...) wäre im gegenwärtigen Augenblick ein großer politi­scher Fehler gewesen“, da sich nämlich dadurch die Regierungspartei knapp vor den Wahlen der Gefahr ausgesetzt hätte, an Stimmen zu verlieren 92 * * * * *). Die Vorbereitung auf die Wahlen, sagt Csáky, wurde zum Teil durch „klerikale Hetzen“, die hauptsächlich im „Interesse der bedrohten katholi­schen Kirche“ angezettelt wurden, beeinflußt. Aber nur ein einziger Ober­hirte wagte es durch einen Hirtenbrief, auf den Verlauf der Wahlen direk­ten Einfluß zu nehmen. Csáky fühlte sich daher bemüßigt, jenem — es war Bischof Schopper von Rosenau — auf die möglicherweise bösen Folgen seines Verhaltens aufmerksam zu machen98). Ungefähr zur gleichen Zeit 91) Nach Salacz, Kultúrharc 125—26 fand die Besprechung am 7. XII. 1891 statt. Cs. soll Vaszary 23 solcher bischöflicher Schreiben gezeigt haben. 92) Cs. scheint nicht gewußt zu haben, daß Vaszary bereits Mitte November seinen früheren Sekretär P. Augustinus Haudek OSB um Informationen nach Rom geschickt hatte. Haudek sprach unter anderem auch mit Rampolla und kehrte am 19. I. 1892 wieder nach Ungarn zurück, wahrscheinlich mit jener Note, deren Inhalt Vaszary am 22. I. (und im Schreiben an Cs. vom 23. I.) Cs. mit­geteilt hat. Vgl. dazu Salacz, Kultúrharc 124 und 130. — Die Wahlen fanden statt 28. I.—6. II. 1892. 98) Georg Schopper, geh. Pest 9. III. 1819, gest. Rosenau 10. IV. 1895. 1846 Studienpräfekt im Pazmaneum/Wien, 1855 Theologieprofessor in Budapest, 1872 Bischof von Rosenau. Angeblich war er der intransigenteste Gegner der liberalen Kirchenpolitik der Regierung, der „militanteste ungarische Bischof“ (Gratz, A dualizmus kora I 307 und J. Szinnyei, Magyar Írók élete és munkái XII Sp. 560—63). — Fünf Theologieprofessoren (darunter auch der spätere Bischof Prohászka), das bischöfliche Domkapitel und der Pfarrklerus von Gran 25*

Next

/
Thumbnails
Contents