Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

CSÁKY, Móric: Die ungarische Wegtaufenverordnung von 1890. Ein Beitrag zur Geschichte des Kulturkampfes in Ungarn

386 Móric Csáky Während dieser neun Monate stand aber nicht bloß die für die spätere Entwicklung der Kirchenpolitik Ungarn so wichtige Primasfrage im Vor­dergrund. Vielmehr war das politische Kampffeld wieder einmal erfüllt von heftigen Debatten um Fragen der Verwaltungsreform, dem Haupt­problem der ungarischen Innenpolitik seit dem Ausgleich im Jahre 1867. Die Meinungen im Parlament stießen so hart gegeneinander, daß eine Lösung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten war. Ministerpräsident Sza- páry faßte daher den Entschluß, vorzeitig, das heißt schon für Beginn des neuen Jahres Neuwahlen auszuschreiben. Nach Ansicht Csákys war das aber schon zu spät: bereits im Sommer 1891 hätte man zu jenem „allerwirksamsten Mittel der Verfassung“ greifen müssen! „Wenn es sich um wichtige und bedeutende Fragen handelt, führen die mehr oder weniger glücklich gewählten Nebenwege — das tägliche Brot der parlamentarischen Regierungsform — nicht zum Ziel: sie kompromittieren das Ansehen der Regierung, sie kompromittieren die Sache selbst und bringen keine Beru­higung. Der aus klarer Überzeugung gefaßte sachliche Entschluß dagegen imponiert und hat auch in der Regel Erfolg“. So hätten Neuwahlen im Sommer 1891 vermutlich einen dreifachen Vorteil eingebracht: Stärkung der Regierungspartei, Sicherung der Verwaltungsreform im Sinne der Liberalen gegenüber den Linksradikalen und nicht zuletzt eine rasche Lösung des kirchenpolitischen Problems im Geiste der gestärkten Re­gierungspartei 80) ! Der neuernannte Primas gab Anlaß zu neuen Hoffnungen. Auch Csáky war der Überzeugung, daß die Schaffung eines günstigeren Klimas zwischen Kirche und Staat gewiß auch im Interesse Vaszarys lag. Freilich mußte er bald konstatieren, daß dieser, weil nicht aus der Reihe der Bischöfe gewählt, fast beim gesamten ungarischen Episkopat auf Widerstand stieß. Die wichtigste Aufgabe Csákys bestand nun darin, den neuen Ober­hirten über den Standpunkt, den die Regierung in kirchenpolitischen Fragen einnahm, genauestens zu informieren. Dies geschah in einer längern Unterredung am 6. Dezember 1891. Er zeigte dem Primas unter anderem auch die Briefe jener Bischöfe, die noch vor Erlaß seiner Verordnung ihre * * Cs. informiert ziemlich genau über die Verhandlungen um die Nachfolge Simors. Vgl. dazu Salacz, A primási szék betöltése 1891-ben (Budapest 1936) und Engel-Janosi, Österreich und der Vatikan I 278 f. 00) Zwischen Szapáry und Cs. scheinen von Anfang an gewisse Differenzen bestanden zu haben. Szapáry war im Grunde genommen nicht gewillt, die kirchenpolitische Frage auf die Tagesordnung zu setzen (vgl. Gratz, A dualizmus kora I 300) und hätte am liebsten Cs. samt seiner Wegtaufenverordnung fallen gelassen (vgl. Beksics, in: A Magyar Nemzet Története (ed. Szilágyi) X 777). Tatsächlich sollte er im Herbst 1892 am kirchenpolitischen Reformprogramm (zwei volle Jahre vor Csáky!) scheitern. Später (1894) wandte er sich im Par­lament ganz offen gegen Cs. und beschuldigte ihn, die „Brandfackel“ zwischen die Konfessionen geschleudert und so auch seinen Sturz verursacht zu haben (Csáky in der Denkschrift).

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