Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

CSÁKY, Móric: Die ungarische Wegtaufenverordnung von 1890. Ein Beitrag zur Geschichte des Kulturkampfes in Ungarn

Die ungarische WegtaufenVerordnung von 1890 385 Nuntius Galimberti statt einer ungarischen Persönlichkeit bedienen87 88). Sofort beschloß man daher in Budapest, den Nuntius für diese Aufgabe zu informieren. Es geschah durch ein Memorandum, das man Ladislaus von Szögyény-Marich überreichte 8S, der es seinerseits wiederum dem Nuntius weiterleiten sollte. Dieses Memorandum, welches im Auftrag von Minister­präsident Szapáry Kultusminister Csáky ausgearbeitet hatte, zählte noch einmal drei Modifikationsvorschläge der Wegtaufenverordnung auf, von denen zwei, nach Ansicht des Schreibers, sowohl der staatlichen als auch der kirchlichen Anschauung entsprechen könnten, nämlich: die notarielle Überweisung des Taufzeugnisses oder Verstaatlichung der Matrikel. Schließlich wird der Wunsch ausgesprochen, Szögyény-Marich möge dahin wirken, daß bis etwa Mitte Jänner des kommenden Jahres (1891) die Frage endgültig geklärt sei. Natürlich ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung! Ein anderes, unerwartetes Ereignis hatte zur Folge, daß die Verhand­lungen zwischen Staat und Kirche für fast ein ganzes Jahr lahmgelegt wurden: das plötzliche Ableben Kardinal Simors am 23. Jänner 1891. Nun folgten bis Oktober 1891 langwierige Besprechungen und Bemühun­gen um die Person des neuen Primas. Die ungarische Regierung war selbstverständlich bemüht, nur solche Kandidaten vorzuschlagen, die ihr — insbesondere hinsichtlich der kirchenpolitischen Lage — genehm waren und von denen sie sicher erwarten durfte, daß sie in erster Linie ergebene Diener des Staates sein würden. Es versteht sich aber, daß Rom solche Kandidaten — an erster Stelle wurde der rangälteste ungarische Bischof, Erzbischof Samassa genannt — gerade im gegenwärtigen Augen­blick aus denselben Überlegungen nicht akzeptieren konnte. Endlich betrach­tete der Kaiser, auf Grund des ihm zustehenden ius placetum regis — dieses Recht nahm die Regierung für sich in Anspruch! — die Bestim­mung des künftigen Kirchenfürsten vornehmlich als seine Aufgabe und suchte den Einfluß der Regierung möglichst zurückzudrängen. Diesem dreifachen, komplizieren Umstand ist es wohl zuzuschreiben, daß erst nach neun Monaten ein Kompromißkandidat in Vorschlag gebracht wurde, dem Papst, Kaiser und Regierung (von welcher der Vorschlag kam) nicht ab­geneigt waren: es war der Erzabt der Benediktinerabtei Pannonhalma, Kolos Vaszary 8e). 87) Franz Josef soll auf einen ungarischen Gesandten verzichtet haben, da die Regierung auf der Ministerratskonferenz vom 22. XII. 1890 die Wahl selber treffen wollte. Der Kaiser hatte angeblich Bischof Steiner (Anm. 47) dazu ausersehen gehabt. Vgl. Salacz, Kultúrharc 100. 88) Das Memorandum vom 31. XII. 1890 (10 Seiten) ist der Denkschrift bei­gelegt. — Ladislaus von Szögyény-Marich, geb. Wien 12. XI. 1841, gest. Csór 11. VI. 1916. 1882 Abteilungsleiter im Außenministerium, 1890 ung. Minister am Hof in Wien, 1892—1914 Botschafter (und bevollmächtigter Minister) in Berlin. 89) Kolos Vaszary OSB, geb. 1832, gest. 1915. 1885 Erzabt von Pannonhalma, 1891 Erzbischof von Gran und Primas, 1893 Kardinal, 1912 dankte er ab. — Mitteilungen, Band 16 25

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