Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
CSÁKY, Móric: Die ungarische Wegtaufenverordnung von 1890. Ein Beitrag zur Geschichte des Kulturkampfes in Ungarn
382 Móric Csáky in der Ministerratssitzung vom 9. November, sich in erster Linie der Einwilligung des Kaisers für den Gesetzesantrag einer — vorläufig — partiellen Verstaatlichung der Matrikel zu vergewissern77). Man betraute den Kultusminister mit der heiklen Aufgabe, den Herrscher zu informieren. In der am 11. November in Gödöllő (bei Budapest) gewährten Audienz zeigte sich der Kaiser von Beginn an gereizt und wollte wissen, weshalb man denn schon jetzt zum allerletzten Mittel greife und die jahrhundertealte Ordnung zerstören wolle? „Dann entwickelte sich eine sachliche Diskussion, welche der allerhöchste Herr schließlich nach fast einstündiger lebhafter Auseinandersetzung damit schloß, daß über eine allgemeine staatliche Matrikelführung keine Rede sein könne, die Möglichkeit einer partiellen jedoch auch er nicht ausschließe.“ Er wünsche aber darüber noch unter eigenem Vorsitz eine Ministerratskonferenz zu halten78). Die Minister waren mit diesem unbestimmten Ergebnis natürlich zum Großteil unzufrieden und verlangten schließlich die Wegtaufenverordnung als solche, ganz ungeachtet der entstandenen Schwierigkeiten, entschieden durchzudrücken, „meiner Meinung nach eine unmögliche Sache“, kommentiert Csáky, „weil dies nichts geringeres bedeutet hätte, als die Ansage eines wirklichen Kulturkampfes“. Die geplante Konferenz unter Vorsitz des Kaisers fand am 14. November statt. Die Minister suchten Franz Josef zu überzeugen, daß zumindest die partielle staatliche Matrikelführung im Fall, daß Roms starre Haltung bekannt würde, noch die einzige Weise zu einer friedlichen Beilegung des Streites sei. Der Kaiser hörte sich alles ruhig an, stellte einige Fragen und gab dann prinzipiell seine Einwilligung zu dem Vorhaben der Regierung. Csáky glaubt diesen plötzlichen Stimmungswechsel beim Kaiser dem Einfluß Pápays, und nicht zuletzt der Selbstverleugnung des Herrschers selbst zuschreiben zu müssen, „die ich nicht nur einmal bei ihm konstatieren konnte, sooft eine politische Notwendigkeit zu seinem persönlichen Gefühl in Gegensatz geriet“79). Am 18. November verteidigte Csáky dann in einer glänzenden Rede die Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit der Wegtaufenverordnung im Parlament und errang dabei, so schien es wenigstens, einen vollen Sieg. Unzählige Ovationen und Gratulationen und nicht zuletzt das positive 77) Inzwischen hatte Simor am 27. X. Szapáry den Vorschlag gemacht, die Regierung möge sich damit begnügen, in den Taufscheinen die Konfessionszugehörigkeit der Eltern genau einzutragen, was bisheran wohl katholischerseits, nicht aber von den Protestanten praktiziert worden wäre! Salacz, Kultúrharc 83. 78) Dem gegenüber vermutet Salacz, Kultúrharc 86, der Kaiser habe sich auch gegen die partielle staatliche Matrikelführung ausgesprochen. "9) Das Ergebnis der Konferenz teilte der Kaiser persönlich dem Primas mit, Szapáry berichtete davon am 17. XI. der Liberalen Partei. Nach Meinung von Salacz, Kultúrharc 90, machte dies weitere Verhandlungen zwischen Staat und Kirche unmöglich.