Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

RILL, Gerhard: Jacobus Palaeologus (ca. 1520–1585). Ein Antitrinitarier als Schützling der Habsburger

Jacobus Palaeologus (ca. 1520—1585) 31 verschrobenen Landstreichers, der sich in gelegentlichen Ketzereien gefiel, zu bestätigen. Erst durch mehrere Arbeiten St. Kot’s und vor allem durch die grundlegende Monographie A. Pirnát’s wurde hier ein Wandel geschaf­fen10). Während man bis dahin die Werke des Apostaten — abgesehen von der Schrift De magistratu politico — nur dem Namen nach kannte11), wurde durch die Funde Pirnát’s nun eine Reihe theologischer Traktate, Apologien und Dialoge erschlossen; inhaltlich muten diese Schriften nicht weniger phantastisch an als der Lebensweg ihres Autors. Gemeinsam ist ihnen ein leidenschaftlicher polemischer Grundton und das Fehlen jeg­licher Systematik und Sprachdisziplin, vor allem aber die Tendenz, die Probleme rücksichtslos und oft willkürlich an ihre letzten vermeintlichen Konsequenzen heranzuführen; die derart gewonnenen Lehrmeinungen ver­binden sich mit abenteuerlichen und utopischen Motiven zu ebenso originel­len wie monströsen literarischen Gebilden. Durch den Konflikt zwischen radikalen Unitariern und den viel maßvolleren Socinianern fanden Pro­bleme und romanhafte Einzelmotive dieser Gedankenwelt Eingang in die Aufklärung. Voltaires Hurone entspricht in den charakteristischen Zügen dem Telephus der Catechesis Christiana. Lessing wußte um die Existenz des „Palaeologen“ und hatte präzise, wenngleich subjektive Vorstellungen von den Ideen und Kontroversen der Antitrinitarier 12 *). Allerdings verfolgt Pirnát die Schicksale und das Wirken seines Helden erst ab 1571, die früheren Jahre bleiben so gut wie unangetastetla). Diese Lücke nun kann an Hand eines Konvolutes von Briefen, die Palaeologus an Pius V. und an die Kaiser Ferdinand I., Maximilian II. und Rudolf II. schrieb, zu einem Teil geschlossen werden. Im einzelnen handelt es sich um folgende Stücke (alle im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Rom Varia 2, „Akten betreffend den Ketzer Jacob Palaeologus“): fol. 152" (1563 vor Juli 8, Prag). Pal. an Ferdinand I., Orig. Urget me reveren­dissimus cardinalis Alexandrinus. — Beilage zu dem Befürwortungs­10) Jacobus Palaeologus (Studia nad Arianizmen, hg. von L. Chmaj, War­szawa 1959, 73—129); wiederholt in: Ideologie 54—116. 11) Verzeichnis der früher bekannten Titel bei C. C. S andius, Bibliotheca anti-trinitariorum, Freistadii 1684, 58 f.; F. S. B o c k, Historia Antitrinitario- rum, maxime Socinianismi et Socinianorum, Regiomonti et Lipsiae 1766, 585 ff.; Land steiner, Palaeologus 15. 12) In der Abhandlung „Von Adam Neusern einige authentische Nachrich­ten“ (S. 247 f. der unter Anm. 216 zitierten Ausgabe) zählt er Pal. zu jenen, die sich, wer weiß wie sehr, um das Christentum verdient zu machen glaubten, wenn sie es von einem unbegreiflichen Geheimnisse reinigten, und dafür zu allen den falschen Religionen herabsetzten, welche nicht mehr und nicht weniger endliche Wesen anbeten, und welche zu verdrängen die ersten Lehrer derselben es sich so sauer werden lassen. Eine direkte Beeinflussung Lessings durch Pal. ist schon deshalb unmöglich, weil er diesen nur aus der Polemik Sozzinis kannte. la) Vgl. die Rezensionen von J. Révész in Acta historica 9, Budapest 1963, 287 ff., und W. U r b a n in Odrodzenie i Reformacja w Polsce 6, Warszawa 1961, 237 ff.

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