Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
CSÁKY, Móric: Die ungarische Wegtaufenverordnung von 1890. Ein Beitrag zur Geschichte des Kulturkampfes in Ungarn
Die ungarische WegtaufenVerordnung von 1890 381 mir aber leider auch klar, daß Galimbertis guter Wille und konziliantes Wesen nicht von Nutzen sein werde, da er selbst — was bei einer diplomatischen Begegnung recht ungewöhnlich ist — mir beteuerte, daß man auf sein Wort in Rom nicht viel gebe (...)> weil abgesehen von den intransigenten Gefühlen und Einstellungen des päpstlichen Staatssekretärs, Ram- polla auch (.. . sein) persönlicher Gegner sei“. Die letzten Hoffnungen, die sich Csáky auf Grund seiner Wiener Eindrücke gemacht hatte, waren aber wie weggefegt, als er am 20. Oktober von der zweiten, wiederum negativen Antwort Roms erfuhr: auch die Überweisung der Taufzeugnisse über die Notare wurde abgelehnt. „Rom wünscht nichts geringeres“, meint Csáky erregt, „als daß Regierung und Gesetzgebung sich einfach vor dem Axiom der katholischen Kirche beugen, daß alle aus Mischehen geborenen Kinder insgesamt katholisch seien!!“ 74) Während der folgenden Tage wollten die Beratungen kein Ende mehr nehmen: Csáky konferierte mit Szilágyi, Samassa, Tisza, Baron Vay, Falk und Szapáry 7S. Man einigte sich dahingehend, daß unbedingt die staatliche Matrikelführung anzuordnen sei. Dafür boten sich aber zwei Möglichkeiten: man konnte entweder nur für die aus Mischehen geborenen Kinder staatliche Matrikeln fordern, oder aber man konnte sie ganz allgemein vorschreiben. Justizminister Szilágyi trat entschieden für die zweite, radikalere Lösung ein, während Ministerpräsident Szapáry erst nach längeren „Pourparlers“ der partiellen Lösung zustimmte. Csáky selbst war sich von Anfang an im klaren, daß nur die allgemeine staatliche Matrikelführung völlige Abhilfe schaffen könnte. Andererseits aber mußte er sich auch eingestehen, daß eine Hauptvoraussetzung dafür noch fehlte: die Reform des ungarischen Verwaltungsrechts. Weiterhin würde die allgemeine staatliche Matrikelführung auf entschiedenen Widerstand im katholischen Klerus stoßen, der damit einer wichtigen Einnahmequelle beraubt würde. „Mit meinen Ministerkollegen“, bemerkt er, „mußte ich in dieser Sache einen recht schweren Kampf ausfechten“, vor allem mit Justizminister Szilágyi, Finanzminister Wekerle und Handelsminister Baross76). Endlich beschloß man "*) Antwort Rampollas an Simor vom 26. IX. 1890 in Acta Sanctae Sedis 23 (1890/91) 570—72. Rampolla wollte das Gesetz von 1868 nur dann anerkennen, wenn am Ende eines jeden Jahres die Taufscheine aller neugeborenen Kinder an staatliche Stellen eingeschickt würden. Zugleich ermahnt er Simor, weiterzuverhandeln. 75) Baron Miklós von Vay, géb. Alsó-Zsolca 29. IV. 1802, gest. Budapest 14. V. 1894. Ab 1888 Präsident des Oberhauses. — Miksa Falk, geb. Pest 7. X. 1828, gest. Budapest 10. IX. 1908, Schriftsteller, Vertrauter Gf. Stefan Szé- chenyis, Ungarisch-Sprachlehrer Kaiserin Elisabeths. Ab 1867 Redakteur des Pester Lloyd. 7«) Alexander Wekerle, geb. Mór 4. XI. 1848, gest. Budapest 26. VIII. 1921. 1884 Ministerialrat, 1889 Finanzminister, 1892—1894, 1906—1910, 1917—1918 Ministerpräsident. — Gábor Baross, geb. Pruzsina (Trencsén) 6. VII. 1848, gest. Budapest 8. V. 1892, 1886—1892 Verkehrsminister, 1889—1892 auch Handelsminister.