Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

RILL, Gerhard: Jacobus Palaeologus (ca. 1520–1585). Ein Antitrinitarier als Schützling der Habsburger

30 Gerhard Rill sammenhänge: die Leugnung eines Grunddogmas des Christentums, der Trinität, „verneint die Grundlagen der christlichen Gesellschaft selbst, reduziert das Christenum auf eine Religion unter anderen, vergleichbar dem Islam und dem Judentum“ 6). Um die gleiche Zeit etwa, in der Palaeologus sein Prager Exil antritt, stirbt die erste Generation der (vorwiegend italienischen) Häretiker aus: Lelio Sozzini, Castellio, Gribaldi, Ochino. Ihre Nachfolger leben meist in nur losem Kontakt, verstreut über Siebenbürgen, Polen und England. Zeit­weise schließen sie sich zu Glaubensgemeinschaften zusammen, doch kommt es nur vorübergehend zu einer Organisierung, die der anderer radikaler Sekten vergleichbar wäre. Seine konsequenteste Ausbildung erfährt der Unitarismus in Siebenbürgen während der Jahre 1571—1579. Palaeologus verläßt Böhmen 1571; seine Prager Epoche deckt sich also mit dem Inter­vall zwischen dem Abgang der gemäßigten, vorwiegend im Westen wir­kenden Gruppe und den Anfängen des radikalen Unitarismus im Osten. Dem abenteuerlichen Lebensweg dieses Mannes vermochten schon die Zeitgenossen und zeitnahen Biographen nicht recht zu folgen. In den ver­schiedenen Quellen erscheint er einmal als kaiserlicher Rat, als protestan­tischer Missionsprediger, dann wieder als Muslim, als Verschwörer in den französischen Hugenottenkriegen und als Aufwiegler, der durch seine Predigten in Deutschland fast eine Revolution ausgelöst hätte. Nach man­chen Autoren wurde er schließlich in Rom hingerichtet, nach anderen beschloß er seine Tage friedlich in der ewigen Stadt als verdienstvoller Ver­fasser katholischer Schriften7). Eine neue Verwirrung in die Biographie dieses scheinbar so vielseitigen Mannes brachte Karl Landsteiner, als er mehrere (heute nicht mehr erhaltene) Dokumente edierte, die sich zum Teil auf unseren Antitrinitarier, zum anderen Teil jedoch auf einen unbe­deutenden Vaganten, Paniotus Palaeologus, bezogen; dem Häretiker wurde dieserart geradezu Unsterblichkeit verliehen, da er scheinbar ein Jahr nach seiner Hinrichtung aus den österreichischen Erblanden ausgewiesen werden mußte8). Bis ins 20. Jahrhundert war Palaeologus vor allem als Abenteurer bekannt, von seiner publizistischen Tätigkeit wußte man relativ wenig. Die in den „Nuntiaturberichten aus Deutschland“ und in der Edi­tion von J. Susta 9) enthaltenen Nachrichten schienen das Bild eines etwas 6) Cantimori, Haeretiker 143. 7) Kritische Stellungnahme zur älteren Literatur (betreffend sein Ende) schon bei J. Quetif-J. Echard, Scriptores Ordinis Praedicatorum, 2, Lutetiae Par. 1721, 340 f.; A. G. Hoffmann in J. S. Ersch - J. G. Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste III 9, Leipzig 1837, 319 f.; die zuletzt genannte Theorie zuerst bei M. A. C i a p p i, Compendio delle heroiche et gloriose attioni et santa vita di papa Gregorio XIII, Roma 1596, 66 f. 8) K. Landsteiner, Jacobus Palaeologus. Eine Studie (Sep. aus dem Programm des Josefstädter Gymnasiums, Wien 1873), bes. 11 f., 20 ff. <J) Die römische Kurie und das Konzil von Trient unter Pius IV., 4 Bde, Wien 1904—1914.

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