Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
MEZLER-ANDELBERG, Helmut J.: Österreichs „Schwarze Legende“. Zur Kritik an der Habsburgermonarchie durch österreichische Zeitgenossen Erzherzog Johanns
226 Helmut J. Mezler-Andelberg lieh organisierbaren Verantwortungs- und Machtträger anstelle des Beamtentums gestützte Dezentralisation und Selbstverwaltung sind sein Ziel. Wie aber sollte aus einer letztlich doch geschijchtsfremden Grundhaltung heraus dieses auf die Wahrung historischer Rechte und Traditionen begründete Anliegen durchzuführen sein? Das war ein Dilemma, das, abgesehen von den äußeren bürokratischen Hindernissen, aus sich zum Scheitern mancher der damaligen so wohlgemeinten Reformvorschläge führen mußte. Die Abwertung der österreichischen Geschichte als eines Vorganges ohne wahre Größe teilt Andrian mit Hormayr, ebenso die Negation eines höheren, den bloßem Herrscherwillen übersteigenden Sinnes der Ländervereinigung. Auch die gewaltigen Abwehrleistungen Österreichs gegen den Osten, das österreichische Heldenzeitalter, das schon Leopold v. Ranke in den „Großen Mächten“ 1833 für die Machtbildung Österreich-Habsburgs als entscheidend erkannte, einem Werke, das der Historiker Hormayr für seine Urteilsbildung ohne weiteres noch hätte benützen können, eine Geschichtsepoche, die aber auch der Monarchie der Habsburger in den Augen eines politischen Betrachters wie des verstorbenen Bundespräsidenten Karl Renner ihre ideale innere Rechtfertigung gab 25) und aus der heraus sie zum Range einer europäischen Großmacht aufstieg, finden bei dem zum Bayern gewordenen Tiroler keine Anerkennung. Ferdinand I. hat durch seine unglückliche Ostpolitik die Türken vor Wien gebracht, echte Leistungen im Kampfe gegen diesen Erbfeind setzten aber vor allem das nationale Ungarn, die Russen und Polen. Für Hormayr gibt es „kein in den mittelalterlichen und neueren Geschichten begründetes Verdienst der alten Habsburger als einer abwehrenden und auseinander haltenden Mittelmacht“ 28). „Deutsche Fäuste und deutsches Geld, nicht die mitunter tief gesunkene habsburgische Hausmacht hat Ungarn wieder befreit ... Also gab Habsburg Europa und seiner Civilisation keinerlei Schutz und Schirm gegen den türkischen Islam“ * 27). „Der Frieden wurde wohl eine gute Weile (und durch die Dummheit der Türken gerade in den allerdrohendsten Augenblicken) erkauft, aber niemals er siegt“. Nur Prinz Eugen unterbricht in dieser Periode die Reihe schmählicher Niederlagen, obwohl auch unter ihm „bei weitem nicht Alles, was hätte erhalten werden können“ erreicht wurde28). Die Rettung vor der drohenden Gefahr des anflutenden Islam verdankt Österreich nicht eigener Tüchtigkeit, sondern der geradezu unglaublichen Stupidität der Türken, denen der „Wiener Hof im 30jähri- gen, im spanischen, im österreichischen Erbfolgekrieg, und vollends im französischen Revolutionskrieg Alles verdankte und die sonach mit bestem 2s) R. Springer (= K. Renner): Grundlagen und Entwicklungsziele der Östereiehisch-Ungarischen Monarchie. Wien-Leipzig 1906, S. 19 ff., 236 f. 28) J.v.Hormayr, Anemonen, II, S. 3. 27) J. v. Hormayr: Anemonen, II, S. 5. 28) J. v. H o r m a y r: Anenmonen, II, S. 2.