Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 213 Fügungen Gottes, wolle man nicht denselben widerstreben, sondern beuge man sich vor denselben. Napoleon sollte nun der Politik jenen Standpunkt geben, welcher allein der rechte ist; nämlich erklärend, Gott habe jedem Staate, jeder Regierung eine Grösse gegeben, dabey habe es zu bleiben, keiner (habe) an eine Vergrößerung zu denken, jeder (solle) das behalten, was er hat, kein Dorf weniger, sey (es) der Kaiser von Frankreich, Österreich, Rußland, Engelland, Preussen oder Fürst Reuß, ob Großmacht oder Lichtenstein, die Aufgabe eines jeden, und diese zu lösen giebt genug zu thun, sey das, was ihm anvertraut ivorden, glücklich und blühend zu machen. Dies ausgesprochen, darauf gehalten, und alle gegen den Übertretenden, ist das Einzige, ivas uns Frieden geben kann. Es xuäre ein großer Fortschritt, ein Fortschritt, welcher einen Segen über die arme Menschheit bringen würde. Da hätte man dann Zeit und Mittel auf die Veredlung derselben alles zu verwenden, und dieses thut Noth. Wir müssen von dem Wege auf welchem wir uns dermalen befinden, einlenken. 3. Tagebucheintragung Erzherzog Johanns in Venedig am 2 1. Juni 185 6. ,.Herrliche Stadt voll Denkmäler, ein wahres Buch der Geschichte. So oft ich nach Venedig komme, gehe ich auf den Marcusplatz, in die Marcuskirche, lasse mich herumführen durch die Canäle, betrachte Kirchen, Palläste etc., die Sitze so vieler, berühmter Geschlechter und hänge meinen Gedanken nach. Könnten nur alle diese Gebäude reden, kundgeben, teas bey und in ihnen vorgefallen, welch reicher Stoff für Geschichts- und Romane-Schreiber. Welche Zeitperioden sind da vorübergegangen, welche und wieviele Geschlechter sind entstanden und erloschen. Bey jedem die Zeit der Jugend, der Kraft, des Alters. Wie Weniges aufbewahret in der Erinnerung, xvie Vieles der Vergessenheit anheimgefallen. Was ist geblieben? Diese alten Bauwerke. Sie sprechen zu denen, die sie betrachten, belehrend aber auch warnend. Soviele tragen das Gepräge des Siechtums und wie nothwendig es sey, welche Sorgfalt man für sie haben müsse, wolle man sie vor dem Verfall bewahren. Welche ernste Lehre lieget nicht darinnen. Nichts ist ewig als der Geist und die Seele, alles Übrige veränderlich. Daß aber die längstmöglichste Dauer für etwas erreichet werde, hänget von der Pflege ab, welche man ihm angedeihen lässt, das bey allem. Wenn ich zu Venedig herumfahre und frage, wem gehörte dieses Haus, dann nennt man einen Namen irgend eines alten Geschlechtes. Wem gehört es izt? Da heißt es: einem Kaufmann, Juden, einer Tänzerin etc. Wo sind erstere hingekommen? Da heißt es: erloschen oder verarmt, letzteres durch Verschwendung und Unwissenheit, dem Vaterlande durch