Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
212 Berthold Sutter keine, vertrat alle. Eine bessere, ehrenvollere Zeit für die Stämme möchte ich noch erleben und würde gerne, wenn es notwendig wäre, auf was immer für eine Art, das Meinige beytragen. Noth thäte ein Karl der Grosse, ein Heinrich, ein Rothbarth, ein Rudolf, eine kräftige Hand, welche, ohne irgend ein Recht zu kränken, das Gesammte aufrüttelte und zusammenkittete. Das Jahr 1855 wird gar manches bringen, entiveder Krieg, dann entbrennet ganz Europa, oder Friede. Nur kein solcher, welcher auf kurze Zeit fristet, das ist das schlechteste von allem. Ich möchte jene Herren, welche die Geschäfte führen, folglich denen die Geschicke der Völker übertragen sind, folgende Fragen zur Beantwortung stellen, aber auch eine erschöpfende, befriedigende Antwort erhalten. Was will Engelland? Was will Frankreich, was dessen Kaiser? Kann die Allianz zwischen beyden Staaten dauernd seyn? Was will Rußland? Was soll Österreich wollen? Wie lange ist noch in Europa das Türkische Reich gefristet? Was, tvenn es ein Ende hat, dann? Über den politischen Verhältnissen, welche die ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, wird das Wichtigste vergessen, nämlich die Gesammtheit des Volkes. Der moralische Zustand verschlimmert sich täglich, es rücket vor und gewinnet zuletzt eine solche Gestalt, daß die Folgen gar nicht zu berechnen sind, dieses führt zu einem veränderten sozialen Zustand. Welchen? Daß die Welt einer Veränderung entgegen gehet, ist nicht zu läugnen. Nur sich nicht darüber beruhigen, nur nicht sich täuschen und glauben, man wird steets die Richtung nach seinen Ansichten oder gar durch die Geivalt leiten können. Hat der Zustand einmal eine gewisse Höhe erreichet, dann ist es umsonst. Daher möge man die Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten beherzigen, vorbauen, damit alles zum Besseren ausschlage.“ 2. Tagebucheintragung vom März 185 6. „Telegraphische Depesche (Österr. Correspondenz). ,Paris 16. März. Heute früh 3 TJhr ist die Kaiserin Eugenie von einem Prinzen glücklich entbunden worden. Die Kanonen des Invalidenhotels verkünden das freudige Ereigniß“. Die Wege des Herrn sind wunderbar. Der Oheim, ein großer Feldherr, Staatsmann, schätzte die Menschen gering, sein unbegränzter Ehrgeiz, das Vergessen jeder Mässigung und Gerechtigkeit brachten seinen Sturz, ivie sein Ende. Sein Sohn folgte ihm bald ins Grab nach. Gott hielt da ein ivarnendes Gericht. Der Neffe belehret durch Erfahrung gehet einen anderen Weg, will Ordnung, Friede, keine Kränkung anderer Staaten. Er bekömmt einen Sohn, ich hoffe, er ist ein Engel des Friedens. Sein Stamm bleibet er der Mäßigung treu, wird wurzeln. Betrachte man die