Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 211 „Wo indess die Wahrheit, ist ein Licht. In ihr ist keine Finsternis, das ist mein Trost. Mache man fleissig die Balken zu, um die Strahlen der Sonne nicht zu sehen, sie wird doch darein scheinen und alles, was sie liebt, erwärmen und beleben.“ Versuchen auch wir nicht zu beschönigen und das 19. Jahrhundert ideali­sierter darzustellen als es war. Doch wer das Negative aufzeigt, hat, um der Wahrheit willen, wenigstens abschließend auf die kulturbringenden Großtaten Österreichs hinzuweisen, auf die Leistungen der österreichischen Verwaltung und auf die zivilisatorische Erschließung weiter Räume und Länder. Von diesen Fakten wird allzu selten gesprochen. Beide Seiten haben wir jedoch gerechterweise zu sehen. Anhang. 1. Tagebucheintragung Erzherzog Johanns für die Zeit vom 1. — 3. Februar 185 5. „Wenn man alle verschiedenen Ansichten über die itzigen Weltver­hältnisse hört, so sind sie von solchen Gegensätzen, daß man beynahe irre werden und in Schrecken gerathen könnte. Dies ist gewiß, daß es für jene, welche berufen sind in die Geschäfte einzugreifen, eine der schwierigsten Aufgaben ist, das Wahre, Zweckmäßige aus diesen contrastierenden An­sichten herauszufinden, dazu noch die aufgeregten Leidenschaften und so wenig große Gemüther. Wie oft habe ich mir gewünschet, izt als Reichsverweser in Frankfurt zu s ey n, um da mein Scherflein zur Eintracht Deutscher Nation b ey zu­trag en; beynahe möchte ich dermalen es nicht bereuen, dort nicht zu seyn, und täglich mehret sich in mir das Gefühl des Dankes gegen Gott, daß ich dort nichts zu thun habe. Ich würde mit dem besten Willen auf kalte, leere Egoisten stossen, die in Vermeidung jeder Anstrengung, jedes Opfers, blos ihren, wie es ihnen dünkt, dermaligen, entsprechenden Zu­stand fristen wollen. Ich will gar nicht jene anführen, welche noch damit ihre selbstsüchtigen Zwecke verbinden. Bey mir ist es nicht Trägheit, nicht Wunsch nach Ruhe, welches mich so sprechen läßt, aber die Über­zeugung, daß, soll Deutschland etwas werden, vorher noch manche Ver­änderungen vorausgehen müssen. Sie werden geschehen. Aber wann? Das weiß Gott allein. Ich liebe Deutschland, alle Klassen des Volkes, ich habe Beweise, daß ich den Regierenden und Regierungen wohl will, ich kränkte 14*

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