Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 205 Gott in unseren Ländern. Mein Vetter Max, ich möchte beynahe sagen die Modenesische Linie, sind ihre Patrone. Ersterer, wie er hier in Graz war, besuchte ihr Kloster, hörte da den Gottesdienst, früh­stückte bey ihnen, und ließ sich alles zeigen. Wenn er nur uns das Gute bewirken möchte, sie nach Modena zu ziehen und aus diesem Lande bringen, wir würden ihm grossen Dank dafür haben. Wir gäben ihm obendrein noch alle Redemptoristen, welche uns schon viel Übles gestiftet haben und noch das haben, daß während die Jesuiten doch vernünftige Männer haben, sie gar so sehr auf die Verdummung des Volkes losgehen und selbst gar so viele dumme Individuen haben.“ Auch zu den allgemeinen kirchlichen Angelegenheiten hat Erzherzog Johann Stellung bezogen, so am 6. November 1839, als er nach Erledigung seiner Briefschaften in seinem Tagebuch einige Gegenstände berührte, „damit man wisse“, was er „davon geglaubt habe.“ Nach einer eingehen­den Kritik der Spanischen Angelegenheiten und der Orientalischen Frage hat er, ehe er abschließend die „eigene Verwaltung“ schwerstens tadelte, die Probleme der katholischen Kirche von seiner Sicht aus dargestellt, wobei uns seine Forderung nach nationaler Zusammensetzung des Kar­dinalskollegium nach der jüngsten Entwicklung unter Papst Paul VI. höchst modern und fortschrittlich erscheint. „Der dritte Gegenstand sind die kirchlichen Angelegenheiten, da ist aber kein vernünftig Wort zu reden. Statt den Catholicismus zu fördern, an seiner Verbreitung, Befestigung zu arbeiten, erschüttert man denselben immer mehr. Das voreilige, schroffe Wesen Roms hat jene Mächte, die catholische Gemeinden haben, stutzen gemacht, Ruß­land gehet mit dem gewaltigen Beyspiel voraus, die russischen Grie­chen werden ohne den Catholicismus anzugreifen von Rom getrennet, und so geschiehet es mit den Catholiken in Polen. Wo soll dies hin­führen? Alles hat seine Quelle in der Herrschsucht Roms, in dem Eingreifen in die weltliche Macht, in der Unwissenheit der Verhält­nisse jener Staaten, Völker, Regierungen, die nicht unmittelbar welsch sind. Das ganze Sacro Collegio bestehet aus Italienern aus dem Römi­schen, Neapolitanischen, Sizilien, kein Deutscher, kein Spanier, kein Franzose. Jene schreiben nach ihrer Art vor. Tauget dies? Ganz anders wäre es, wenn in Rom das Collegio aus Cardinälen bestünde, die nach der catholischen Volksmenge jedes Staates bestimmt wären, als Ame­rika, Portugált, Frankreich, Engelland, Deutschland (das ist Öster­reich, Preußen, Bundesstaaten), Polen, das ist Rußland, Italien, Schweiz, Orient. Wie ganz anderst wäre die Vertretung, wie vielen Mißgriffen würde vorgebeuget, wie die Entwicklung, Ausbreitung, Vereinigung im Glauben befördert werden. Oh, möchte der milde apostolische Geist vorwalten, statt dem düsteren, herrschsüchtigen unduldsamen! Leider ist der erstere bereits gewichen.“

Next

/
Thumbnails
Contents