Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
206 Berthold Sutter Erzherzog Johann war, ohne jeglichen Zweifel, ein glaubensstarker Katholik, allerdings josephinischer Prägung. Bezeichnend für ihn ist sein an den Admontischen Kapitular und Pfarrer zu St. Michael ob Leoben, Aegidius Scherer, am 16. Mai 1828 von Vordernberg aus gerichtetes Einladungsschreiben, bei der feierlichen Einweihung des Kreuzes am Gipfel des Erzberges die Predigt halten zu wollen, denn hier „befiehlt“ der Erzherzog dem Priester den belehrenden Predigt-Stoff und hier ist ganz im Sinne der „katholischen Aufklärung“ der Seelsorger zum Diener des Staates gemacht70 ). In allen schweren Situationen hat er seinen Trost und seine Stärkung im Gebet gesucht71)- Als aber bei der Taufe von Sophie, der ersten Tochter Kaiser Franz Josephs, der Erzbischof von Wien im Stephansdom an den Kaiser und an Erzherzogin Sophie eine Anrede hielt, bemerkte der Erzherzog dazu: „ ... alles was er sagte, gut, wahr, aber im Hause Gottes soll man nur Gott Weihrauch brennen und keines Sterblichen Erwähnung machen, als um für ihn zu beten. Lob gehöret nur Gott“ 72). Und nach einer Auseinandersetzung mit seiner zum Sektenwesen hinneigenden Schwägerin Marie, Witwe nach dem Palatin von Ungarn, Erzherzog Joseph, schrieb er am 6. Feber 1847 in sein Tagebuch: „ Welche einseitige Ansicht von der Güte Gottes, von seiner Gerechtigkeit, von der Bestimmung und Freiheit der Menschen, welche Intolleranz! Wahrlich, je mehr ich diese Sache bedachte, desto mehr preise ich, Katholik zu seyn, denn mein Glaube giebt mir Wärme, Vertrauen, beglückt mich, machet mir meine Lage nicht so schwierig, läßt mich duldsam gegen alle seyn.“ Die Ereignisse des Revolutionsjahres 1848/49 seien hier ausgeklammert, ebenso auch Erzherzog Johanns Haltung zur österreichischen Außenpolitik. Es sei nur erwähnt, daß er die Anlehnung an Bayern, die Vermählungen seiner Neffen mit Töchtern aus dem Hause Wittelsbach stets abgelehnt hat. Er stand lange der Erzherzogin Sophie, der Mutter Kaiser Franz Josephs I., kühl gegenüber, die ihm dann ihrerseits seine Haltung 1848/49 nie verzieh. Erzherzog Johann gab offen zu, daß er gegenüber den Bayern, die er noch am 27. November 1824 „ein rohes, grobes Volk“ nennt, „die wie solche Leute auf das Fressen und Saufen so viel halten“, zu sehr durch die Erinnerungen an 1809 beeinflußt sei73). Seine ganze 70) Einladungsschreiben Sr. kaiserl. königl. Hoheit Erzherzog Johann an hochw. Herrn P. Aegidius Scherer ... zur Predigt bei der feierlichen Einweihung des auf dem höchsten Gipfel des Erzberges errichteten Kreuzes. Graz 1884. — Ebenso bei V. T heiss: Erzherzog Johann a. a. 0. S. 113—117. 71) Vgl. beispielsweise nur die Tagebuchstellen vom 14. Februar und 12. April 1838. 72) Tagebucheintragung vom 6. März 1855. 73) Tagebucheintragung vom 26. August 1824: „Ich darf gar nicht daran denken, ich bin ein Gefangener in meinem Urtheil, obgleich ich unsere Kaiserin verehre, den König von Bayern darum liebe, weil ihn seine Unterthanen lieb haben, so mag ich Bayern nicht und werde es nie mögen. Es ist ein alter Groll,