Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 201 gerichtet hatte65). Den „redlichen Sedlnitzky“ nimmt er am 14. Feber 1836 in Schutz, denn er habe viel liegen gelassen und „dadurch viel Übles verhütet, manchem, Menschen genützet, manche Verläumdung unterschlagen und manchen Schritt gehindert.“ In seinen Denkwürdigkeiten aber steht jene bittere Stelle vom „System des Misstrauens und des Neides, ein wahres Grab aller edleren GesinnungErzherzog Johann klagt, daß er dieses System „durch U0 Jahre seines Lebens kennengelernt“ habe, bis es „nach und nach an der besseren Überzeugung des Kaisers Franz“ erlosch66). Auch über seine eigene Erziehung findet er bittere Worte. Die Erlebnisse seiner Jugend haben sich ganz tief in ihm festgesetzt. So schrieb er noch 18 Monate vor seinem Tode, anläßlich des Hinscheidens seiner Schwägerin Elisabeth in Bozen am 26. Dezember 1856, in sein Tagebuch: „Mögen ihre Söhne fest und einträchtig Zusammenhalten und sich bestreben, sich durch ihr Betragen, ihrem inneren Werth, ihre Thätig- keit und Brauchbarkeit geltend zu machen. Nächst Gott haben sie hienieden auf nichts zu rechnen. Ich weiß, was das ist, Vater und Mutter verlieren. Wir standen noch besser als diese, denn wir waren diegen ist, nicht strenge behandeln, sondern freyen Lauf lassen, ohnedies wird dergleichen nicht von vielen gelesen, dafür aber alles, was auf Tändeley etc. hinzielet, verbiethen, als z. B. Modejournale — diese haben ein unbeschreibliches Übel gestiftet und Verderben, vorzüglich auf dem Lande, Hauswesen und Sitten; Theaterzeitung, Telegraf etc., diese Zeitschriften werden von der Jugend eifrig gelesen, sie tödten allen Trieb für Ernstes -— oder will man dieses? Glaubet man, dass durch geistige Entnervung Legitimität erhalten wird? wird nicht vielmehr der Keim zum Falle gelegt. Betrachten wir wie unsere Jugend in dem letzten Decennium sich zeiget — es ist erbärmlich — mögen jene, welche schuld daran sind, die furchtbare Verantwortung bedenken, welche sie sich auflegen und wenn ihnen das Urtheil der Nachwelt theuer ist, erwägen, was die sagen wird und muss. Lebend unter allen Classen beobachte ich mit Wehmuth unseren Verfall — dieses Wort ist nicht zu stark — und ich kann nur ein Häuflein besserer bewahren für die Zukunft — nicht allein unsere nächsten Nachfolger, sondern wir selbst müssen die Folgen noch erleben — mögen diese nicht unberechenbar seynl“ (Johann, Erzherzog von Österreich: Briefe an Joseph Freiherrn von Hammer-Purgstall. Hrsg, von F. 11 w o f. Mitt. Histor. Verein Stink. 37, Graz 1889, S. 3—76; hier Nr. 29.) 66) Vgl. den vertraulichen Polizeibericht über Erzherzog Johann des k. k. Polizeidirektors zu Graz vom 2. März 1822 im Verwaltungsarchiv Wien, Polizeihofstelle 2048—1822 f. 39/40. — Polizeibericht über die Anwesenheit des Erzherzogs in Gastein vom 27. Juli 1822. Ebda, Polizeihofstelle 6479 — 1822 f. 49. —■ Da Erzherzog Johann in der Zeitschrift „Der Aufmerksame“ als „hohes Vorbild der Treue und Anhänglichkeit gegen unseren allgeliebten Landesvater“ hingestellt worden war, wollte der k. k. Polizeidirektor zu Graz den betreffenden Artikel zensurieren, „da doch alles von dem geliebten Monarchen ausgehen muß und sonach jedes Lob, welches nicht beziehungsweise auf Ihn erteilt wird, nicht angemessen scheint.“ Verwaltungsarchiv Wien, Polizeihofstelle 2048 — 1822 f. 41—44. — Vgl. dazu Katalog der Erzherzog-Johann-Gedächtnisausstel- lung 1959, Nr. 541, sowie 540 und 544. 66) Archiv Meran (verwahrt im Steiermärkischen Landesarchiv, Graz) — Katalog der Erzherzog-Johann-Gedächtnisausstellung 1959, Nr. 108.