Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
202 Berthold Sutter Brüder des Kaisers, und doch sah in unserer Jugend niemand auf uns, im Gegentheil suchte man uns ganz zu beseitigen. Unser Vater war der alte Baron Hager, welcher für uns sorgte ... bis in spätheren Jahren unser Bruder und Kaiser uns an sich heranzog und vemven- dete.“ Seine Ideen zur Erziehung legte er 1817 nieder, als die Charakterbildung Erzherzogs Franz am Hofe zur Debatte stand67). Johann forderte damals Luft, Bewegung, rasches, tätiges Benehmen ,,die vielfachen Studien von Botanik, Mineralogie, Naturgeschichte, Chemie, das ist alles so Nebensache“ . Erzherzog Johanns Kritik geht über das eigentlich Staatliche weit hinaus. Sie trifft in ganzer Schärfe den Adel, vor allem den adeligen Grundbesitz. Auch hier könnte von 1810 an eine Reihe von Belegen geboten werden, in denen der Erzherzog von unklugen und herzlosen Bauernschindern spricht und er seinen Grimm gegen diese „Klötze“ nicht verbirgt68). Im rein persönlichen Bereich ist seine Kritik an der Gesellschaft Jesu und den Redemptoristen oder Liguorianern bemerkenswert, denn diese Fehlkritik zeigt, wie stark er in der Aufklärung verwurzelt ist und wie er keinen inneren Zugang etwa zu Klemens Maria Hofbauer und seinen Kreis hatte. Er scheidet sich in diesem Punkte scharf von Metternich, dem der Erzherzog vorwirft, obwohl er klug und einsichtsvoll sei, in der sonderbaren Täuschung zu leben, in den Jesuiten eine Stütze monarchischer Grundsätze zu finden. „Ich hatte“ — heißt es in seinem Tagebuch vom 4. November 1835 — „von den Bürgern aus Marburg ein Bittgesuch an den Kaiser erhalten, wo sie gegen die Übergabe des Gymnasiums an die Jesuiten protestieren. Ich schrieb an Kolowrat, entwickelte meine Ansichten darüber und sandte die Bittschrift ein. Die Jesuiten nie bey uns, in den dermaligen Provinzen, mit Ausnahme von Galizien, das ist meine Meinung. Aber diesen Orden soll Europa benützen, da, wo er wirken soll, nämlich Asien, Amerika, 67) Im Zusammenhang mit den spanischen Ereignissen des Jahres 1839 und unter Hinweis auf Don Carlos betonte Erzherzog Johann, die Throne würden nicht durch ein System von Legitimität befestigt werden, sondern durch eine zeitgemäße, nicht einseitige Erziehung der Söhne der Fürstenfamilien. „Diese thäte noth.“ (Tagebucheintragung vom 6. November 1839). 68) So Tagebucheintragung für die Zeit vom 18. bis 25. Oktober 1817: „Aber der Herrenstand unwissend, dumm, stolz, tückisch, thut nichts. Ich habe ihnen Vorschläge gemacht, tauben Ohren. Die Antwort: Klagen über Elend, Armuth, als ivenn die niedrigen Bürger, der Gewerbsmann nicht noch mehr leidet. Einige toll über das Postulat, schreien über Schinderey und sind selbst die ärgsten Bauernschinder; was heißt Trotz, Empfindlichkeit, erstlich unklug, dann herzlos. Der Person des trefflichen Kaisers muss man Anhänglichkeit zeigen, dann aber zum Vater sagen: Vater uns gehet es schlecht, wir thun was wir können, aber hilf uns so und so. Das ist der wahre Weg. Ich habe einen Grimm gegen diese Klötze und Dummköpfe. Längst hätte ich diese Menschen auf gegeben.“