Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
198 Berthold Sutter Beim Besuch der gewerkschaftlichen Eisenwerke um Weyer am 12. August 1824 wird ihm bekannt, daß diese den Arbeitern den Lohn schuldig bleiben und nur die Fassung, also die Lebensmittel geben, „alles weil sie nie Geld hat.“ Auch bei diesem Anlaß fügt der Erzherzog die Bemerkung hinzu: „So ist es, wenn der Staat den Fabrikanten machen will. Schaden für sich, schlechte Ware, Druck für den Privaten, der keine solche Mittel hat.“ Diese völlige und heftige Ablehnung staatlicher Industriebetriebe ist für die grundsätzliche Einstellung des Erzherzogs dem Staate gegenüber bezeichnend 62). Wegen der wirtschaftlichen Notlage breiter Bevölkerungskreise mahnt der Erzherzog auch im privaten Bereich zu größter Sparsamkeit. An prunkvollen Festen und Bällen hatte er nie Gefallen gefunden, er stieß sich immer am „Aufputz“ der Frauen, an der „Widersinnigkeit solcher Veranstaltungen“ , ihn ärgerte die „gezwungene Fröhlichkeit“, und ihm nahm das Gedränge, die Hitze und die „eingesperrte Luft“ die Freude an solchen Festlichkeiten und Vergnügungen, die ein schweres Geld kosten und die ihn zwangen, mit den Herrn Gesandten und Diplomaten beisammen zu sein und zu reden — „großenteils kalte, herzlose, falsche Gesichter“ —, die jede Bewegung einstudiert hatten. Aber nicht nur, daß er sich selbst bei solchen Gelegenheiten doppelt „heraus ins Freye oder zu einer nützlichen Thätigkeit“ sehnte, er erkannte ganz genau auch die Diskrepanz zwischen solchen Galaveranstaltungen und der wirtschaftlichen Situation des einfachen Mannes. Nach dem vom Fürsten Metternich am 24. November 1824 gegebenen Ball — auch der Kaiser und selbst Erzherzog Karl waren zu diesem gekommen und er „war schön, alle Zimmer gestrotzet voll“ — schrieb der Erzherzog, nachdem er „den ganzen Vormittag grantig herumstieg“ in sein Tagebuch für Anna Plochl: „... wie kann man fröhlich seyn, wenn so viele Tausende be62) „... warum zögert man mit dem Verkaufe? Es ist hier wie mit den Staatsgüthern, es heisset immer, sie sollen veräußert werden, aber es kömmt kaum dazu, und wenn es ausgeführt, dann entstehen solche Anschläge, daß kein Mensch vernünftiger Weise kaufen kann, so wird die Absicht des Staates vereitelt, weil das Interesse vieler mit der Nichtausführung verwickelt ist.“ (Tagebuch vom 21. August 1817). — Angesichts der krassen sozialen Übelstände, unter denen die Arbeiter der staatlichen Salinen im Salzkammergut zu leiden hatten, ruft er am 27. Februar 1838 aus: „Was könnte im Kammerguth in der Steyermark seyn! Ich übernehme es gleich, führe dem Staat die Summe ab, die es demselben einträgt, mache mich anheischig, Gebäude und Wälder besser zu erhalten, und sollte der Ertrag sich steigern, noch von dem was aus meiner Industrie erstünde, 10 p.c abzuführen, die Leute alle gut leben zu machen. Aber ich behielte mir freye Administration vor. Weg mit den überflüssigen, fremden Beamten. Wenige gute und heimische, weg mit den Buch- haltereyen und doch mehr Gerechtigkeit und Richtigkeit. Das ist leider nur ein Traum, denn man will nicht Unrecht haben, man will an dem unglücklichen Beamtenwesen, an den vom ewigen Mißtrauen geborenen Einrichtungen kein Haar verrücken; im Gegentheil ein steetes Streben alles mehr zu verwirren.“