Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 197 Innerberg, daß er nicht im Stande ist, das Freygeld zu zahlen, daß es 8—9 Reitungen zu 70—80 fl Lohn per Kopf den Leuten schuldig ist. Daß die Wittiben das Wenige nicht erhalten, daß selbst Beamte zu 3—l* Monathe nicht bezahlt wurden. Die armen Leute mit den Kindern zu nichts Anderem anzuwenden. Diese treue, einst kräftige Bevölkerung fällt so. Die Leute dulden, leiden, und hätten sie nur Haberbrod für sich und die Ihrigen, so würden sie zufrieden sein. Sie könnten mit Wohnung und etwas Vieh ihr Leben bis bessere Zeiten fristen, allein dies nicht, daher Zuflucht zu der Nahrung von Schnecken, Schwämmen etc. Man hat ihnen versprochen, sie wieder ins Brod zu nehmen, wenn die Getreidepreise fallen. Man hat ihnen Dach und Fell gelassen, allein dies reichet nicht, und wahrlich die Leute sind höchst genügsam. Rücksichtlich ihres Viehs haben sie auch viele Anstände. Was werden aber die Kinder thun, ohne die Milch von ihrer Kuh und einigen Gaisen, die eine Familie hat. y2 Million Schulden hat die Innerberger Gewerkschaft an verschiedene Leute.“ Bitter fügt der Erzherzog hinzu 61): „Herauswicklen, blühen wird sie nie, so lange sie ein Eigentum des Staates ist. Ein Staat Fabrikant!! Höchstens einige Luxusartikel als Spiegel, Porzellan, Gobelins, aber im Übrigen gehet es nicht, die Regie speist alles auf und die mitwetteifern­den sind immer getrennt. Hier ist keine Hilfe als der Verkauf des ganzen Körpers, stückweise an Private. So die Hämmer, so die Radwerke.“ Mit einem nicht zu überhörenden Unterton an Resignation klagt der Erzherzog in diesem Zusammenhang am 19. März 1824 über die Abwanderung recht­schaffener Männer aus Innerösterreich. „So gehen sie, die Besseren nach einander fort“, weil sie ohne Aufkommen sind „und welch ein Ersatz. Leider ein schmerzlicher Blick in die Zukunft.“ «i) Tagebucheintragung vom 21. August 1817. — 20 Jahre später, in den Faschingstagen des Jahres 1838, zeichnet Erzherzog Johann in Aussee ein völlig gleiches, unverändertes Bild (Tagebucheintragung vom 27. Februar): „Diese 3 Tage, da toben sie sich aus, weit aus der Gegend gehen die Leute zum Tanz, da ist ein Lärm, ein Gezisch, ein Gejauchz, man sollte glauben, es gehe ihnen gar so gut. Allein dem ist nicht so! Wieviele waren diese Tage bey mir, um Brod bitten! Früher hatten alle Fassung und Lohn, wenn noch so gering, das ganze Jahr. Man ließ sie heyrathen, jetzt erhalten sie dies blos im Sommer, wo man sie verwendet, im Winter werden sie abgeleget, da gehet es ihnen schlecht. So tief lieget die Anhänglichkeit in ihrem Herzen, daß diese Leute großtheils lieber hungern, als auf einen anderen Ort ihren Erwerb suchen, welcher ihnen bei ihrer Geschicklichkeit, Rüstigkeit und Redlichkeit nicht fehlen könnte .. . Giebt es denn keine Herzen mehr, die der Wahrheit nachgehen, keine, die nicht Ruhe noch Freude haben, wenn sie nicht wissen, daß die anderen glücklich sind. Bedenken denn diese Geschäftsleute nicht, daß die Anderen auch Menschen, Brüder sind, daß alle gerechte Thaten gezählt werden und zu Gott schreyen, daß die Langmuth des Allerhöchsten aber, weil Er gerecht, seine Grenzen hat, und daß dann alles dasjenige erfolget, was wir gesehen, und so vieles Wehe nach sich ziehet.“

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