Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 193 der Besseren im Lande (1819) 54), des Vereines zur Ermunterung und Unterstützung der Industrie und Gewerbe für Innerösterreich, das Land ob der Enns und Salzburg (1837) und der Vordernberger Radmeister- kommunität, der er als Besitzer von zwei Radwerken und den dazugehörenden Abbauanteilen am Erzberg selbst angehörte. Sein wirtschaftliches, wirtschaftsförderndes und soziales Wirken reicht von der Verbesserung der sozialen Stellung der Landarbeiter durch Änderung der Maria Theresianischen Dienstbotenordnung „mit Vermeidung alles dessen, was der Dienstherren Ansehen schwächen, zugleich aber, was den Dienstboten kränken könnte“ 55), von der Einführung von Dienstbotenprämien 1824 bis zum ersten „Männer-Kranken- und Leichen-Unterstützungs-Verein“, vom Kampf gegen Pocken und Cholera bis zur Errichtung des Anna-Kinder- spitals in Graz. Um die durch Mißernten das Land bedrohenden Hungersnöte abzuwehren, schuf er eine Kartoffelunterstützungsanstalt, die neue, bessere und ergiebigere Kartoffelsorten aus Brasilien, England, Schottland, den Niederlanden und der Schweiz einführte und kostenlos zur Aussaat verteilte 56). Er wirkte durch vorgelebtes, lebendiges Beispiel und in unzähligen Filialsitzungen der Steiermärkischen Landwirtschaftsgesellschaft, die er als deren Gründer und Präsident persönlich leitete, hörte er die ungeschminkte Wahrheit, denn die Bauern sprachen sich hier in aller Offenheit aus. Rücksichtslose Eintreibung der Steuern und herrschaftlichen Zinse, Gelderpressungen, Pfändungen, wenig Nachsicht, viel Schreiben und Kommissionieren, kein Resultat, lau die Gerichtspflege, das sind die Klagen, die ihm immer wieder vorgebracht werden. Nach einem Vortrag über die Cholera, den der Erzherzog im Rahmen des von ihm persönlich geleiteten Aufklärungsfeldzuges der Landwirtschaftsgesellschaft in einem kleinen obersteirischen Ort am 13. Dezember 1831 hielt57), „wurden die Leute, 54) Vertraulicher Polizeibericht über die Landwirtschaftsgesellschaft vom 26. März 1822, Verwaltungsarchiv Wien, Polizeihofstelle 2048—1822 f. 41—44. — Zehenjahres-Rechenschaftsbericht der Landwirtschaftsgesellschaft an Kaiser Franz I. H.H.St.A. Wien, Kaiser-Franz-Akten K 89. — Bitte Erzherzog Johanns vom 18. April 1819, der Kaiser möge ihm die Annahme der Wahl zum Präsidenten gestatten, H.H.St.A. Wien, Familienarchiv, Sammelbände 48. 55) Rede Erzherzog Johanns zur Zehnjahresfeier der Landwirtschaftsgesellschaft. In: Die Feyer des ersten Decenniums der k. k. Landwirtschaftsgesellschaft in Steiermark. Graz 1829. 56) Original des Berichtes Erzherzog Johanns an Kaiser Franz I. im H.H.St.A. Wien, Kaiser-Franz-Akten K. 89. — Auszugsweiser Druck: Katalog der Erzherzog-Johann-Gedächtnisausstellung 1959, Nr. 551. 57) Erzherzog Johann überwand damals seinen Stolz und bot — allerdings vergeblich — am 11. August 1831 brieflich von Gastein aus Kaiser Franz I. direkt seine Dienste an. Weiters verlangte er energische Vorkehrungsmaßnahmen: „Muth bey den Leuthen zu erhalten damit dieselben eine drückende Periode aushalten: Unterricht des Volkes damit es nicht verwirret werde, über die Krankheit, Krankheitssymptome, Vorbeugungsmitteln für den ersten Augenblick bis ärztliche Hilfe kommen kann, Vertheilung solcher Mitteln Mitteilungen, Band 16 13