Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 189 einander gehen, wenn nicht hald eine kräftige Änderung eintritt, bald. Klein fing Habsburg und Lothringen an, es dürfte noch kleiner endigen. Wie edel und ehrenvoll das Beginnen und Zunehmen, wie groß die vielen Kämpfe und steets aus dem Ungünstigen noch größer herausgehend, welche herrlichen Völker, welch schöne Länder, und bey allem dem guten Materiale ist dermalen, seit dem Tode des letzten Kaisers, welche Rückschritte und Verfall. Es könnte ein elender, schmachvoller Schluß werden. Höre man die allgemeine Stimme, sie erhebet sich allgemein und wird laut. Wie beachtet sie die Trägheit, und wie wird sie durch jene ausgeleget, welche das Heft nicht aus den Händen geben wollen /: Beamten :/? Man verhöhnt, verlacht sie, man wieget sich in Täuschungen ein, um aus dem behaglichen Schlafe nicht zu kommen, lebet in Zerstreuungen fort, augenblick­liches Erschrecken wird gleich beschwichtiget, man siehet nicht das mahnende Mene tekel was allenthalben in großen Zügen geschrieben stehet. Die allgemeine Stimme zu unterdrücken ist nunmehr vergeb­lich, sie ist zu laut, zu fest, zu allgemein, im Gegentheil sie gewinnt täglich mehr Boden, mehr Anhänger. Bemächtige man sich derselben, gewinne sie durch zeitgemäße Maßregeln, voll Kraft, welche aus dem Herzen und dem Verstände hervorgehen. Wuchere man mit der Zeit und lerne die ewigen Weltgesetze des allmächtigen, gerechten Gottes verstehen, der alle als seine Kinder liebet, die wechselseitige Liebe von ihnen fordert und keinen Egoismus, keine Härte, keine Trägheit duldet.“ 1847, in diesem schicksalsverhangenen Jahr, hält zu allem Unglück der Tod im Hause Österreich eine reiche Ernte: zwei Brüder und ein Neffe Erzherzog Johanns sterben, zwei Männer, die berufen gewesen wären, 1848 machtvoll in das Rad der Geschichte einzugreifen, deren Name und Per­sönlichkeit allein schon Ordnung, Sicherheit und Glanz bedeutete: Erzher­zog Karl, der Sieger von Aspern und Eßlingen, und Erzherzog Joseph, Palatin in Ungarn. Der dritte war Erzherzog Friedrich, der Sohn Karls. Beiden Brüdern hält Erzherzog Johann einen erschütternden Nachruf. Er rühmt die fünfzigjährige Tätigkeit des Palatins, den man so oft zum Sündenbock großer Mißgriffe gemacht habe, dem man hätte vertrauen sol­len und dem es gelungen war, die Unentschlossenheit der Regierung un­schädlich zu machen48). Nach dem Tode Erzherzog Karls klagt Johann: 48) Tagebucheintragung vom 13.—16. Jänner 1847: „So ist denn wieder einer von den Alten hinübergewandert, von den Alten, die wußten und fühlten, was der weiß und rothe Herzschild Österreichs werth ist und was er seyn soll. Er war einer der Ruhigen, Klugen, Besonnenen, 50 Jahre Palatin, was hat er nicht alles geleistet und wie hielt er Ungarn zusammen, obgleich er öfters der Sündenbock großer Mißgriffe war und das Ziel des Mißtrauens, der Ver- läumdung niederer Seelen, die ihn den seeligen Kaiser abspenstig machen woll­ten. Hätte man ihm vertrauet, ihm gefolgetj ihn wirken lassen, es stünde manches anders. Durch das Ansehen, was er sich mühsam erworben, durch das

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