Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 187 zum Wachen und Handeln ist“. Er sieht in voller Klarheit, daß das Regierungssystem des Kaisers Franz I. über dessen Tode hinaus einfach nicht mehr anwendbar ist. „Mich betrübet die Sache sehr“, klagte der Erzherzog schon am 10. Feber 1836, „der alte Hort Franz ist nicht mehr, das fühlet jeder, und das was man damals duldete, will man nicht mehr dulden. Die Leute haben es satt und erheben ihre Stimme ... Das System nach welchem der selige Herr regierte, war sehr gut, so lange er an der Spitze stand und blos auf ihm bedinget, aber so wie Er nicht mehr war, sehr precair und nichts vorbereitet für andere Verhältnisse. Dieses Gebrechen entwickelt sich immer mehr.“ Zu den allgemeinen Sorgen kam 1847 noch, da der Palatin Erzherzog Josef im Sterben lag, die hinsichtlich Ungarns dazu. „Die Nachrichten von meinen Brüdern, Josef betreffend, obgleich sie besser angaben, sind gar nicht beruhigend. Ich sehe ein langsames Dahinschwinden. Ich habe Ludwig neuerdings auf die Noth- wendigkeit, für so einen Fall vorbereitet zu seyn, geschrieben, sonst giebt es in Ungarn eine geivaltige Verwirrung. Ich werde in Wien auch deswegen reden, bitten — ob ich etwas ausrichte, weiß Gott. Ich will lieber die großen Canonen in den Dardanellen beivegen, als unsere Leute, die bleiben in ihrem Takt ruhig, bis die Zeit sie erreichen wird. Was dann? Überall zu späth kommen, die Köpfe verlieren, jammern und sagen, wer hätte es geglaubt? Für mich ist so etwas nichts Neues. Ich war schon einige Male Augenzeuge davon“ 46). Im Feber 1847 sagte Fürst Metternich offen zu Erzherzog Johann, daß man nicht berechnen könne, wie es in fünf bis sechs Monaten stehen dürfte. Angesichts dieser Gefahr griff Erzherzog Johann bereits 1847 aktiv in die Ereignisse ein. An Stelle des Fürsten Metternich referierte er beim Kaiser, der mit dem Staatskanzler nicht gerne sprach, weil er zu breit und nicht einsichtig vortrug. Erzherzog Johann sieht die Revolution und den drohenden Zerfall46) des Reiches mit Riesenschritten herannahen, «) Tagebucheintragung vom 2. Jänner 1847. — Wenige Tage später (Eintragung 10.—12. Jänner 1847) heißt es in Erzherzog Johanns Tagebuch: „Ich habe ehrlich in Wien gewännet, mündlich und brieflich, auf den Fall des Abgehens meines Bruders gefaßt zu seyn. Das habe ich 3mal in letzter Zeit gethan. Ich habe die Notwendigkeit dargestellet, den Ersatzmann bereit zu haben, um keine Zeit zu verlieren. Ungarns Zustand fordert dieses. Wir werden sehen, ob hierin etwas geschehen ist. Nach dem gewöhnlichen Gange zu urtheilen, zweifle ich sehr. Gott gebe, daß uns nicht eine Reihe von Verlegenheiten Zuwachse.“ Über die ungarischen Angelegenheiten vgl. die Eintragung des Erzherzogs während seines Aufenthaltes bei seinem Bruder Joseph in Preßburg im März 1844 und vom 8. November des gleichen Jahres. 4(>) So schreibt Erzherzog Johann anläßlich der Berufung seines Neffen Erzherzog Stephan als Palatin von Ungarn am 24. März 1847 in sein Tagebuch: „Stephan muß lernen in schwierigen Momenten gehorchen und handeln, ihm stehet nun die Bahn der Läuterung bevor.“ Ungarn könne ihm eine Schule werden „für sein Wohl. Sie wird zeitweise bitter seyn; dies ist gut, dies wird