Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
186 Berthold Sutter stehenden Verhältnisse, durch Üppigkeit, Luxus, Unterhaltungssucht, durch mancherley Druck, durch manche Finanz-Maßregeln, durch Gleichgültigkeit, Egoismus etc. Zu bekämpfen die falschen Religionsansichten, den Jesuitismus, Heucheley, Herrschsucht. Zu zeigen wie Noth es thue, das Volk zu erziehen, das ist, nicht Lehrer durch Schulen etc., sondern alles hinwegzuräumen, was dasselbe schlecht machen muß. Wachsen und thätig zu seyn, um nicht im Ansehen der Welt zur Null herabzusinken und allen Einfluß zu verlieren, mit Ungarn einmal ein Ende zu machen und die dortige rohe, unwissende Anarchie zu bändigen, damit aus jenem Lande und Volke etivas Tüchtiges werde und nicht ein Krebsschaden für Österreich. Ich frage mich, wird man mich anhören? Ja, aber mit sauren Gesichtern, denn im Schlafe und in dem behaglichen, täglich gleichen Leben, thut der Klang der Trompete, welcher aufrüttelt, wehe. Wird man beherzigen, was ich sage? Wird man handeln? Ich sage, nein! Ein hartes Urtheil, möge ich Unrecht haben. Was dann die Folge? Das weiß Gott. Aber soviel saget mir mein Verstand, zuletzt ein Stillstand, eine Auflösung, Trennung der Theile, wenn nicht Gott eine kräftige Hand berufet, zu helfen. Wo ist aber diese? Ich kenne dermalen keine. Meines theils will ich mein Gewissen frey machen und thun, ivas ich vermag, wenn es auch zu nichts führet, und will so lange ich lebe das Vaterland nicht auf geben, reden, bitten, ermahnen, kurz jenes thun, was ich vermag.“ Durch seinen neuerlichen Aufenthalt in Wien sieht Erzherzog Johann seit der Jahreswende von 1846 auf 47 seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt44): „Ich war tief betrübet, das bestättiget zu sehen, was ich wußte und ahndete, nämlich, daß man überall und in allem fehlet. Seit Kaiser Josephs Tod scheinet es, daß man nicht nur nichts, sondern sogar manches schlechter gemacht hat. Ich will es ihnen in Wien erzählen, heißt dies regieren, wozu das Heer von Beamten, wozu die Riffe von Acten und Schlampareyen? Welche Verantwortung ich hätte, wäre ich am Brett! Keine ruhige Stunde wäre. Da ich nichts zu sagen habe, machet es schlaflose Nächte.“ Seine unabdingbare Aufgabe sieht er nun darin, wachzurütteln „und verstehen zu machen, daß sie sich ermuntern, handeln und nicht auf die lange Bank schieben, zuletzt mit halben oder gar keinen Maßregeln endigen.“ Am 1. Jänner 1847 betet der Erzherzog zu Gott, daß er ihm „mit seinem Geiste erfülle“, damit er „in dieser bewegten, gährenden Zeit, das Recht und die Wahrheit rücksichtslos vertrete, rathe, mahne, rüge, warne, wo es Noth thut, und gar manche aus den Schlaf rüttele, da jetzt nur Zeit ii ii) Tagebucheintragung vom 1. Jänner 1847.