Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Berthold Sutter 13d Bereits seit der Pariser Julirevolution und dem Brüsseler Aufstand von 1830 spricht Erzherzog Johann immer häufiger die Befürchtung aus, auch Österreich könne von ähnlichen Ereignissen heimgesucht werden. Wir begegnen überraschend oft bei ihm der Meinung, daß Österreich unmittel­bar vor einer greulichen Revolution stehe, und zwar, da Gott gerecht sei und die Tränen der Bedrängten zähle, als dessen notwendiges Strafgericht. Am 31. Jänner 1836 betrieb er brieflich beim Grafen Kolowrat die Kata- stralangelegenheiten in Innerösterreich und machte gleichzeitig auf Um­triebe, Fehler, Schwächen und Mißstände aufmerksam. In seinem Tage­buch aber vermerkte der Erzherzog: „Ich habe nach Gewissen geschrieben, denn mich erbarmet das gute Volk, wo es hohe Zeit ist, Billigkeit und Hülfe eintretten zu lassen, um gewissen Übeln vorzubeugen, welche, wenn eine Gerechtig­keit im Himmel ist, die Strafe für Hartherzigkeit seyn müssen. Die Geschichte lehret, die Thränen der Bedrängten zählt der Herr bis das Maß voll ist. Die Selbstsucht, das Wohlleben, die Gleichgültigkeit, die Kälte des Herzens, schreyen zu Gott laut und so lange zu Ihm, der voll Barmherzigkeit, Zeit und Fristen läßt um in sich zu gehen, dann aber zuletzt Er, der Allgerechte, seine Hand ausstreckt und rich­tet, Throne stürzet, Staaten auslöschet, Heere vernichtet und die Geisel gräuelvoller Revolutionen zuläßt. Das beherzigen so wenige, das große Gesetz, die Basis jeder Staatsverfassung, jeder Staatsver­waltung. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Wann wird sie beobachtet? Werden nicht vielmehr bevorrechtete Classen, die sich folglich alles erlauben dürfen, und die ganze Zahl der Werkzeuge für das Wohl ersterer, von gar vielen angenommen. Wo stehet dieses in unserer Moral, in unserem christlichen Glauben geschrieben? Und hat Gott es zugelassen, daß es Classen giebt, denen viele Vortheile zuge­wandt sind, so geschah es nicht, damit sie darauf pochen, sondern damit sie Kenntnisse, Geivalt und Vermögen in Liebe zu ihren Näch­sten benützen und anwenden, die Übrigen glücklich zu machen. Will man z. B. die Warnungen nicht verstehen, warum haben wir bald keinen Adel mehr in Innerösterreich und Tyrol, warum ist der, wel­cher noch da bestehet, wenige brave Männer ausgenommen, arm, stolz und dumm und großentheils selbst im Körper schwach? Wo die Zeit genau zu bestimmen ist, wann er verlöschen muß. Warum überschtvemmt ein Heer von Beamten, in großer Zahl übermüthig, Halbwisser, eigennützig, meist aus allen Classen gemischt, alles hem­mend, Willkühr ausübend, hart und nach einem Ziele strebend, den (Staat)! Liegt nicht in diesen der Stoff jener, welche in Frankreich so viele, nichts mit Consequenz und Beharrlichkeit durchgeführt wird. Über­haupt, wenn es so fortgehet, ein wahres Hinarbeiten zur Auflösung der Monar­chie.“

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