Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

182 Berthold Sutter stets bestrebt, Erzherzog Ludwig zu raten und von einseitigen Einflüssen freizuhalten. So heißt es am 14. Februar 1836 in des Prinzen Tagebuch: „Mit Bruder Ludwig, den ich herzlich liehe, sprach ich über alles. Was ich höre, theile ich ihm so aufrichtig mit. Kann ich ihm etwas vorwerfen, so ist es, dass er aus zu grosser Bescheidenheit, zu wenig auf sich nimmt. Mit Mässigung und Klugheit führt er die Geschäfte, aber ich wünschte, er griffe manchmal durch, denn sonst wird man ihm über den Kopf wachsen.“ So harte Worte wie gegen Kaiser Franz hat Johann gegenüber Lud­wig nie gefunden. In den schicksalsschwülen Jännertagen des Revolutions­jahres 1848 nimmt Erzherzog Johann seinen Bruder (Tagebuch vom 12. Jänner) gegen ungerechtfertigte Angriffe in Schutz: „Abends bey Ludwig, dem ich alles, was ich wußte, mittheilte, freymüthig über Zeit, Zukunft und notivendige Maßregeln, ich hatte mein Gewissen erleichtert. Der arme Bruder: Er arbeitet sich zusam­men, die Sache erdrücket ihn, er kann sie nicht bewältigen und die Leute lassen ihn, wenige ausgenommen, keine Gerechtigkeit widerfah­ren. Alles schreibt ihm UNSCHULDIGEN Die Schuld zu.“ Es gibt noch einen wesentlichen Grund, warum Erzherzog Johann nach dem Tode Kaiser Franz I. nicht in Wien verblieb. Viele, der Präsident der obersten Justizstelle, Graf Ludwig Taaffe an ihrer Spitze, wünschten, daß Erzherzog Johann kraft seiner Abstammung und seiner Persönlichkeit die Regierung in seine Hände nehme, zumindest in Wien verbleibe, da sie an ihn die Hoffnung knüpften, es werde, da die leitende, bändigende Hand des Kaisers nunmehr fehlte, seine Gegenwart allein schon „gar viel in Schranken“ halten. Erzherzog Johann aber sah keine Möglichkeit, sich gegenüber Metternich und Kolowrat entscheidend durchzusetzen. So wollte Erzherzog Johann beim Kreise der Reformfreunde keine Hoffnungen erwecken, zumal er fürchtete, ein „ Partey-Haupt“ zu werden. Aber gerade Brüder, reich an Erfahrungen, unbefangen, die freye Natur liebend, noch immer studierend, warum wir nicht beysammen bleiben konnten? Wir lieben uns und verstehen uns so gut, die Tage verflossen uns in Freuden und wechsel­seitigen Mittheilungen. Es war mir und ihm hart, als wir am Bahnhof schie­den. Er kehrte in seine finstere Wohnung in der Burg zu Wien (zurück), wo er nichts als Mauern siehet, die Sonne entbehret. Bey mir hatte er Sonne und die weite Aussicht auf die Koralpe an der Grenze Kärnthens. Dort in Wien von gar Manchem abhängig, bey mir frey, ungestöret, und wenn er hier blei­bend, wie ließe sich manches einrichten. Käme er doch wenigstens bald wieder her, um die Zeit, wo die Natur wiederverjünget erscheinet.“ — Als im Jahre 1839 Fürst Metternich nicht dulden wollte, daß Erzherzog Johann als Tauf­pate seines Sohnes Franz, des späteren ersten Grafen von Meran, einen In­validen bestimme und Johann zwischen seinen Brüdern Karl und Ludwig zu wählen hatte, wer von Beiden nun Taufpate werden solle, entschied er sich für Ludwig und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, daß er mit ihm auf gewachsen, sie immer beisammen gewesen und sie sich stets geliebet. (Tage­bucheintragung vom 5. März 1839.)

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