Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog- Johanns Kritik an Österreich 181 derung entstand, hat Johann in seinem Tagebuch verzeichnet, auch die faulen Einwendungen und Ausreden, die nicht nur von Metternich, sondern auch von Kolowrat vorgebracht wurden. Mit einer „in den höflichsten Ausdrücken verfassten Antwort“ S4) wurde der Antrag Erzherzog Karls zurückgewiesen und dieser auf die fallweise Einholung seines Rates ver­tröstet88). Da Erzherzog Karls Forderungen auf Kolowrat aber doch einen tiefen Eindruck gemacht hatten, verlangte dieser, daß Erzherzog Karl bei der Staatskonferenz „dabey sitzen sollte“. Dagegen aber setzte sich nun wiederum Erzherzog Johann entschieden zur Wehr. „Entweder Karl die Sache ordentlich übergeben, oder wenn es nicht seyn könne, ihm auf eine Art benützen, welche jede Reibung beseitige. Wie sollte er einer Conferenz beysitzen, wo Ludwig durch seine dermalige Stellung praesidiren müsse. Das gehet nicht ... Da sie ihm nicht gesetzgebend, dirigirend haben woll­ten, so solle es bey der dermaligen Ordnung bleiben.“ Mit dieser Zurückweisung Erzherzog Karls, die bei einem geschlos­senen Zusammenstehen der Söhne Kaiser Leopolds II. unmöglich gewesen wäre, war die letzte Chance zu einer inneren, vom Kaiserhaus und der Zentralregierung getragenen und ausgehenden Reform des Kaiserstaates vertan, denn der damals 54jährige Erzherzog Johann hat die Stellung seines Bruders Erzherzog Ludwig ohne Einschränkung anerkannt, da die­ser von Kaiser Franz zu den Regierungsgeschäften bereits herangezogen worden war und also das Getriebe kannte. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß Erzherzog Johann als den Fähigsten unter den Brüdern Rainer bezeichnete 34 * 36), während er Ludwig wiederholt „meinen liebsten unter den Brüdern“ nannte37). Johann ist daher zwischen 1835 und 1848 34) Text der Note Erzherzog Karls und des a. h. Kabinettschreibens bei C. F. Frh. Kübeck von Kübau: Tagebücher. Wien 1909, 1/2, S. 703—709. — Ebenso bei O. Criste: Erzherzog Karl von Österreich, Wien 1912, III, S. 456 bis 461. 38) „Diese Antwort ist gescheit; es läßt sich ihr nichts Vernünftiges ent­gegnen. Der wahre Grund bleibt aber immer, daß die zwei machthabenden Minister ebenso wenig als der Erzh. Ludwig ein Jahr ihren Einfluß und die ersteren selbst ihren Platz hätten behaupten können, wenn der Erzh. Karl die Stelle eingenommen hätte, zu der er sich angeboten hat.“ (C. F. Frh. v. Kübeck: a. a. 0. 1/2, S. 704.) 36) Tagebucheintragung vom 27. Dezember 1817: „... denn er ist der Tauglichste, der Ruhigste, in Geschäften erfahren, rechtschaffen und treu . . 37) Tagebucheintragung vom 13. März 1824 und vom 13. Dezember 1824. — Am 18. Dezember 1855 schrieb Erzherzog Johann in sein Tagebuch: „Am 16. November war er gekommen, U Wochen bey mir sich auf halten. Der einzige Bruder, welcher mir von so vielen bleibet, mit mir auf gewachsen. Ich misse ihn sehr schwer. Während seines hiesigen Aufenthaltes besprachen wir alte und neue Zeit, kurz alles. Es war ihm auch so wohl; wäre er nur näher und wir oft beysammen; izt im Spätherbste unserer Tage“. — Ähnlich in der zusammenfassenden Tagebucheintragung für die Zeit vom 1.—16. Dezember 1856: „Am 16. verließ mich mein lieber Bruder Ludwig, nachdem er U Wochen bey mir verweilt. Ich dachte mir, warum wir zwey Alten, die letzten so vieler

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