Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
180 Berthold Sutter sie allenthalben aussprach und ausspreche, so sehr hatte ich eigene Ansichten über die Weise, wie es zu geschehen habe, worüber es noch lange nicht an der Zeit war, zu sprechen. Ich dachte so: zuerst die Höherwaltenden für meine Idee empfänglich zu machen, dann alle Spannungen zwischen Karl und Metternich zu heben und nach und nach es dahin zu bringen. Ich bin überzeuget, es wäre mit Beharrlichkeit gegangen, vorzüglich, wenn die Gewährleistung wäre gegeben worden, dass man den scharfen Einfluss seiner Umgebung nicht zu fürchten habe.“ Dieses langsame Planen ist für Erzherzog Johann bezeichnend. Er ist zwar der Mann des wohlüberlegten Handelns, aber niemals der raschen Tat. Hier liegt auch der Grund für sein tragisches Unvermögen als deutscher Reichsverweser zu Frankfurt im Revolutionsjahr 1848/49, da dieses hohe Amt durch die politischen Brandungen zu sofortigen Entschlüssen zwang, die ihm wider die Natur gingen83). Erzherzog Karl handelte 1836 völlig anders. „Still und geheimnisvoll, verschlossen, wurde alles bey ihm abgethan.“ Er stellte in den ersten Jännertagen bei seinem Bruder Erzherzog Ludwig kurz und bündig fest, ,,er habe gefunden, daß bei der bestehenden Verschiedenheit im Heere, bey der Unordnung, nur Einheit helfen könne. Es könnte diesem allein abgeholfen werden, wenn die Leitung des Heeres, der Verwaltung, einem übertragen werde.“ Erzherzog Ludwig, nicht wissend, was er entgegnen sollte, schrieb Metternich, „um ihn davon zu praevenieren“ und damit war das Spiel für Erzherzog Karl bereits verloren. Metternich erklärte nämlich gegenüber Erzherzog Ludwig, „gegen Karl sey nichts einzuwenden, wohl aber gegen seine Umgebung (la Canaille!), die das Heft an sich reissen würden (Grüne, Kleyle!), er würde zu ihm gehen und trachten, es ihm auszureden.“ Inzwischen hatte Erzherzog Karl bereits seinen Antrag bei Kaiser Ferdinand I. ganz offiziell eingereicht und in diesem „diktatorisch“ vom Kaiser verlangt, „alle Militair-Geschäfte zu erhalten, diese directe, allein mit dem Kaiser abzuthun, zu referiren und ebenso zu expediren! I Folglich ein vollkommen unabhängiges Ganzes zu bilden.“ Und Erzherzog Johann fügt hinzu: „Also, da schon 8 Regenten sind, noch um einen mehr.“ Die Rolle, die Erzherzog Johann in dieser Angelegenheit spielte, war, obwohl er doch sonst immer nach Reformen rief und eine starke Zentralgewalt verlangte, keine sehr glückliche. Er hatte ebenso wenig wie sein Bruder Ludwig den Mut, für Karl gegen Metternich und Kolowrat einzutreten. Er warf Karl vor, er habe selbst die Sache verdorben, denn er hätte „einen längeren, sicheren Weg“ einschlagen müssen, „statt die Sache übers Knie zu brechen und der Regierung vor sehr eiben zu wollen“, was sie zu tun habe. Die „Verlegenheit“, die durch Erzherzog Karls energische For- 33 33) Vgl. dazu B. S utter: Der Briefwechsel des deutschen Reichsverwesers Erzherzog Johann mit dem österr. Ministerpräsidenten Fürst Felix Schwarzenberg. (Im Druck.)