Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 179 sammenzuarbeiten 30). Am 12. April 1838 bat Karl Graf von Clam-Martinitz in Wien den Erzherzog, da der Hofkammerpräsident Josef Freiherr von Eichhoff immer zwischen Kolowrat und Metternich hetze31) und man Kolowrat, obwohl dieser sage, er sei gut mit Metternich, nicht dazu bringe, recht aufrichtig zu sein, er „solle Kolowrat wieder einmal Zureden, daß er sich offen und kathegorisch mit Metternich abbeisse, damit sie sich verstehen.“ Erzherzog Johann hatte keine Freude mit dieser Mission, da er einfach das rivalisierende Kräftespiel nicht durchschaute. So beteuerte er, er wolle sich gerne dieser Aufgabe unterziehen, wenn er nur klar in der Sache sehen könnte. „Wer hat Recht? Lieget der Fehler bey einem oder bey allen? Haben alle reine Absichten? Lieget kein Ehrgeiz, keine Eitelkeit oder Streben nach grösserem Einflüsse im Hinterhalte? Wie soll ich da klug werden? Der Hauptfehler ist, dass kein Kaiser da ist, welcher die Zügel fest hält, wodurch dann alle Übrigen zurücktreten müssen, dass Ludwig nicht durchgreifen will. Er mag Recht haben, ich an seiner Stelle würde es wagen, denn dauert es noch einige Zeit, so erhält Franz den Karren so tief im Kothe, dass dann die zu lösende Aufgabe von der höchsten Schwierigkeit wird.“ Es ist oft die Frage aufgeworfen worden, warum nicht die Erzherzoge Karl und Johann dem Triumvirat Metternich, Kolowrat und Erzherzog Ludwig ein schmähliches Ende bereiteten. Karl hat es versucht, als er 1836 — wie bereits erwähnt — verlangte, wiederum Generalissimus zu werden32). Damit wollte er ohne Zweifel die faktische Macht und die Regierungsgewalt im führungslosen Staate in seine energischen Hände bekommen. Gerade bei dieser Gelegenheit aber zeigt sich die grosse charakterliche Verschiedenheit der beiden Brüder Karl und Johann. Beide waren hinsichtlich des Heeres und der Verwaltung ungeteilt der Meinung, dass der „Hofkriegsrath und die bisherige Leitung alles lähme und einschlafen mache.“ Erzherzog Johann war — nach seiner Tagebucheintragung vom 14. Jänner 1837 —-der Überzeugung, „dass Karl, der das vollkommenste Vertrauen des Heeres besitzt und allein im Stande sey, da zu wirken, und dass es schade wäre, wenn nicht die Jahre, die ihm noch bey vorgerückten Alter blieben, benützet würden für das Vaterland. So sehr ich über diese Nothivendigkeit die vollkommenste Überzeugung hatte und habe und 30) Vgl. dazu H. v. Srbik: Metternich. Der Staatsmann und der Mensch. München 1925, II. S. 8: „Das ,Duell Metternichs und Kolowrats“ entspann sich mit aller Schärfe.“ 31) Karl Graf Clam-Martinitz, Generaladjutant Kaiser Ferdinands I. und Chef der Militärsektion des Staatrats, eine hochkonservative, charaktervolle und überaus befähigte Persönlichkeit, war ein verläßlicher Vertrauensmann des Fürsten Metternich und ein entschiedener Gegner Erzherzog Karls. Freiherr von Eichhoff dagegen war ein Günstling des Grafen Kolowrat und dessen gefügiges Organ. 32) Vgl. dazu H. v. Srbik: a. a. O. II. S. 5—9; III. 1954, S. 153 f. 12*