Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 177 dem Kothe, wenn er fest darinnen stecken wird? Das läßt sich gar nicht berechnen.“ Nach dem Tode des ersten österreichischen Kaisers beginnen für das von ihm zurückgelassene Reich die eigentlichen entscheidenden Jahre. Erz­herzog Johanns Kritik ist nun schärfer und schneidender als je zuvor. Wie verhängnisvoll die Einsetzung von faktisch drei Regenten, Metternich, Kolowrat und Erzherzog Ludwig, war, erhellen gerade die Tagebücher Erz­herzog Johanns, die erschütternde Einblicke in die Verhältnisse am Wiener Hof und bei den höchsten Regierungsstellen des Reiches nach dem Tode Kaiser Franz I. gewähren 28 29). „Es ist das Nämliche, ob ich mit dem einen oder dem anderen spreche, jeder seine Ansicht, überall Wünsche, überall die Leiden­schaften rege, der Eine ruhiger, mißtrauischer, feiner, der Andere heftiger, derber, unbesonnener, überall Selbstsucht und so wenige mit ruhiger Selbstverläugnung. Wo soll dies hinführen? Es fehlet die lei­tende, bändigende Hand des seeligen Herrn. ... Ich habe gar so vieles gehört, mit allen gesprochen, und als Bey- spiel will ich Einiges anführen. So viel ist gewiß, daß alle gegen einander sind, daß in ihren Reden, die bis zu Schmähungen gehen, überall etwas Wahres zu Grunde lieget, daß um dieses herauszusuchen, sehr viel Geduld, Ruhe, Unbefangenheit ohne vorgefasster Meinung in Sache und Personen erforderlich ist. Unser Justiz-Präsident, Graf Taaffe, ein redlicher, kenntnisreicher Mann, voll Eifer, Vaterlandsliebe, Treue, Geschicklichkeit, verdunkelt, neutralisiert alle diese Eigenschaften durch einen unbändigen Ehrgeiz und durch die fixe Idee, er allein sey geeignet die Finanzen zu leiten. Da er nun diese Stelle nicht hat, feindet er alle an, welche dieselbe besetzen, oder besetzen können oder auf deren Besetzung Einfluß genommen haben. Und wenn er auch diese Stelle erhielte, so ist seine Natur so, daß er alles umwerfen, in einem halben Jahr schon mehr seyn möchte und unglücklich, wenn er nicht dirigierender Staats­minister omnipotens wäre. Jede Besetzung einer Stelle, jedes Gerücht bringt ihn in Harnisch. Da läuft er und läßt freyen Lauf seinen Reden, die gewöhnlich bis zu Schmähungen sich erheben ... Nun läuft mein guter Taaffe überall herum und schimpfet, was er kann. Graf Kolowrat sey ein redlicher Mann, aber von beschränkten Talente und ohne es zu wissen das blosse Werkzeug anderer ... Weit heftiger als Taaffe ist Stift, mit einer sanften Sprache brin­get derselbe die stärksten Sachen hervor, zweymal war er bey mir, in früheren Zeiten beförderte er sehr meine Anstalten und dafür ver­dient er meinen Dank. Ich kam immer gut mit ihm aus, es mag daher 28) Tagebuch vom 9. und 14. Jänner 1836. Mitteilungen, Band 16 12

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