Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 169 Verweser für Österreich an preußischen Intrigen persönlich hinnehmen mußte, können wir aus den Berichten des Grafen Rechberg und den Briefen des Erzherzogs, gerichtet an den Fürsten Schwarzenberg, ent­nehmen. Erzherzog Johanns österreichische Gesinnung ist also gerade auch in diesem einen Punkte über jede Kritik oder Unterstellung erhaben. Rein zeitlich gesehen, läßt sich die Kritik Erzherzog Johanns an Öster­reich nach Inhalt und Akzentuierung in jene großen Abschnitte teilen, die entscheidend die politischen Geschehnisse Österreichs bestimmt haben. In den Jahren zwischen der österreichischen Niederlage bei Wagram und dem Wiener Kongreß — die Zeit von 1801 bis 1809, in der Erzherzog Johann genauso wie sein Bruder Karl einen gewissen Einfluß auf die Staats­führung ausübte, sei hier ausgeklammert — ist seine Kritik an der öster­reichischen Verwaltung und den Wiener Zentralstellen, getragen von der Vorstellung, daß Österreich „in Galopp“ seinem Sturze entgegengehe, während er selbst von jeder Verantwortung ausgeschaltet, nicht eingreifen konnte — „ich muß ungebraucht Zusehen, wie mein Staat, mein Haus täglich sinket“ —10), ungemein hart und scharf11). Die zweite Periode, 10) Bei einer späteren Durchsicht seiner Tagebücher, vermutlich im Jahre 1839, fügte Erzherzog Johann am Rande hinzu: „Das war mein Kummer durch 30 Jahre, was hätte ich leisten können!“ (F. v. Krones: Aus dem Tagebuche Erzherzog Johanns von Österreich 1810—1815. Innsbruck 1891. S. 51.) u) Aus dem Tagebuch von 1810: „Denn wo soll Napoleon auf einen Staat rechnen, der sich alle Mühe gibt, aufzuhören, einer zu seyn. Kurz ich sehe überall Kabalen, Intriguen und das liebe Ich ist das Motto des Tages, zum Deckmantel kömmt Patriotismus, Selbstverläugnung und wie alle die schönen Worte heißen, aber wirklich besteht alles das nicht.“ — „Alles ist unter und übereinander, alles kann kaum leben, wir gehen dem Banquerot entgegen, nie­mand tut etwas, Gährungen wird es geben und kein Militär, um zu dämpfen, denn dieses selbst in der Noth und mißvergnügt wird mithalten. Metternich in Paris thut nichts, macht Dummheiten; er sollte zurückgerufen und weg gethan werden, aber dazu ist keine Kraft da.“ — „Eine Herde ohne Hirt, da dieser zu schwach ist, um zu leiten, wird Österreich fallen, zinsbar von Frankreich oder gar in Theile getrennt werden.“ — „Ich sehe unseren Sturz, und leider da es izt in Galopp gehet nicht weit; Verwirrungen in allen Ecken, Verlegen­heit, Kleinmut, Angst.“ — Als er am 27. Dezember 1810 in der Zeitung die Vereinigung der Hansestädte mit Frankreich gelesen, schreibt Erzherzog Johann in sein Tagebuch: „Und wir bleiben so wie wir sind. Wenn so etwas geschehen, reissen unsere Vorsteher den Mund auf, und sagen nichts und sind voll Angst, klagen, zerstreuen sich und wissen nicht zu helfen. Für Österreich nähert sich die Stunde des Falles und der Auflösung mit grossen Schritten, man will nicht mehr helfen. Wie einfach wäre unsere Politik, allein man verstehet es nicht.“ — Der Erzherzog klagt, daß Napoleons Aufstieg durch die Mißgriffe Öster­reichs möglich war. „Doch ... zu einem Blick in die Zukunft sind wir zu furchtsam, zu stolz, zu beschränkt, zu engherzig. Es ist das einzige, was uns retten könnte. Gerade Sprache und consequente Handlung werden selbst von dem größten Despoten geehrt ... das, was man versprach, halten und nicht schwanken, rasch, wenn es auch stark angreift, vorwärtsschreiten, das gibt Vertrauen, und ohne dieses sind die Operationen nichts werth.“ — Und schon

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