Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
WAGNER, Georg: Der Wiener Hof, Ludwig XIV. und die Anfänge der Magnatenverschwörung 1664/65
144 Georg Wagner v. Stauf fenbergs, des Reichsgeneraladjutanten und häufig Rekognoszierenden (der wohl den besten Überblick hatte), bereits erwähnte „Gründliche, warhafftige und unpartheyische Relation“ vom Februar 1665, die er um den Unwahrheiten „außgeworffener Pasquillen“, die „theils in Druck erschienen“, zu steuern, bei Christoff Fischer in Regensburg veröffentlichte. Dort heißt es über den Abend des 1. August 1664: „Mit plindern und beüthen brachten wir so den Abend zu daselbst am Wasser; der Frantzösische General La Filiade und Pudewels blieben beede die Nacht auf dem Wahl Platz, ob gleich, was man von ihnen gedruckt lieset (sie gesagt sollen haben, hetten sie den Platz recuperiert, wollen sie ihn auch weiter defendirn) zu viel geredet ist. Den eine [Armada] allein hat den Platz [den Raabbogen] nicht wieder gewonnen, ob gleich eine vor der andern mehr gethan hat, und die Frantzosen einem besondern Ruhm erworben haben, dann weiter kan sich kein Armade rühmen, als daß sie mit geholffen habe zu recuperierung. (64) Nach erhaltener Victoria war bey uns allen eine sondere Freude und Triumph, theils Generalen kamen zum Feldmarschall Montecuculi und gra- tulirten ihme voller Frewden zu dem Siege: Den sie ihm und seinem gehaltenen Rathe zuschrieben. Denn gewiß ists, daß erstlich von Gott, hernach durch disen Rath der Sieg kommen sey. (66) Es kamen alle Tag viel Uberlauffer und Renegaten herüber ... unter anderen des Groß Veziers sein Waschknecht, ein feiner Kerles, der ihm hat müssen sein Leingewandt waschen, denn sie führen keine Weiber nach. Diser sagte, daß er den Groß Vezier selbst habe 2 Tag weinen sehen über den grossen Verlust der besten Officier, und des maisten Adels auß dem Königreich Bosnien, dan auch, daß sie mehr als 20000 Mann verlohren schätzen. Item daß große forcht unter ihnen sey, und daß alle Nacht ein halb theil ihrer Armada müsste zu Pferd stehen. Dieser ware under dem Serini gebürtig und etwa vor 10 Jahren gefangen worden“. (68) Jedenfalls betrugen die türkischen Verluste weit über 10 000 Mann. Es ist eigentlich traurig, daß die europäische Gemeinschaftsaktion bei St. Gotthard am 1. August 1664 sofort nachher in den Sog der damals mächtig aufkommenden Nationalismen aller Schattierungen geriet: daß der neuheidnisch anmutende Nationalroyalismus des Sonnenkönigs — von der Prosternation der Bevölkerung vor seiner Cäsarenstatue im Herzen von Paris 1686 berichtet zuverlässig Abbé Choisy in seinen „Mémoires“ (1747) — und der Ego-Nationalismus hochfeudaler Großgrundbesitzer in Ungarn, aber auch die Großmannssucht mittlerer Reichsfürsten im Rheinbund — sie alle in offener oder heimlicher Absprache —, die große Gemeinschaftsaktion an der Raab, dieses Vor-Zeichen der sich heute unwiderruflich anbahnenden multinationalen und multilateralen europäischen Gemeinschaft, eines untrennbaren Vaterlandes der Vaterländer, auf ihre Mühlen ableiteten, je nach Bedarf vergrößerten oder verkleinerten, gegeneinander ausspielten, oder ganz für sich in Anspruch nahmen.