Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

WAGNER, Georg: Der Wiener Hof, Ludwig XIV. und die Anfänge der Magnatenverschwörung 1664/65

142 Georg Wagner Davon ist es nur ein kleiner Schritt zum Schlagwort vom „Völkerkerker“ des Hauses Österreich. Welche Verkehrung der Tatsachen! Die Befriedung vom 1. Mai 1711 (Szatmár), die Zustimmung zur Prag­matischen Sanktion (1722), der Einsatz für Maria Theresia im Öster­reichischen Erbfolgekrieg (ab 1741), der spontan erfolgte (Eeichstag zu Preßburg, 1741) und gewiß keiner „Tyrannei“ geleistet worden wäre, die Tatsache der Neubesiedlung und Kultivierung der unter der Türkenherr­schaft verödeten Landesteile unter einem wohlwollenden Regime, das sich auch der Nöte des ungarischen Landsmannes annahm, all diese Errungenschaf­ten des 18. Jhdts. scheinen heute oft vergessen. Sie sind allzusehr von den tragischen Ereignissen und Mißverständnissen von 1848/49 überdeckt103). Durch die notgedrungene Annahme (1663/64) der französischen und deutschen Rheinbundhilfe hatte der Wiener Hof eigentlich ein Reich im Reiche — den Rheinbund—legitimiert. Man erhob damit Ludwig XIV., dessen Protektor, indirekt auch zum „arbiter“ in Reichsangelegenheiten. Mit einer Medaille, auf der die „Victoria“ im Lilienschleier türkische Trophäen niedertritt, schrieb er sich überdies den Sieg an der Raab zu und warf sich zugleich mit der Legende „GERMANIA SERVATA“ — das gerettete Deutschland —, zum „Protector Germaniae“ und zu dessen Retter auf. Wie wir wissen, wurde er allerdings von den dankbaren Ungarn schon früh als „Conservator Hungáriáé“ (Bankett in Preßburg vom 4. Sept. 1664) gefeiert. Und wenn wir hören, daß der kalvinische Kuruzzenführer Emmerich Tököly, der nach dem Tode Franz I. Rákóczys (1676), dessen Witwe Helene, Tochter Niclas Zrinyis, geheiratet hatte, nach der Einnahme von Kremnitz (11. Okt. 1678) die Dukaten und Taler, die Gold- und Silber­barren, die er erbeutete, um- und neuprägen ließ mit dem Reverse: „Tököli Princeps Partium Hungáriáé Dominus“ und mit dem Averse: „Ludovi- cus XIV. Galliae Rex, Protector Hungáriáé“ 104), so wissen wir, daß dieser Ehrenname seine Wurzel im Jahre 1664, im Siege an der Raab hat. Diese Schlagworte, Conservator bzw. Protector Hungáriáé und auch Protector Germaniae, für seine außenpolitische Propaganda einzusetzen, wurde ihm freilich erst dadurch möglich, daß ihm die These vom französischen Löwen­anteil am Siege an der Raab in den Relationen Colignys, La Feuillades, de Beauvezés und Louis Roberts angeboten und sofort via Marquis de Guitry und Stephan Vitnyédy durch geschickte Federn von ungarischer Seite weiterverkündet worden war (obwohl bei Mogersdorf gar keine Ungarn kämpften). Er hatte sie sich sofort zu eigen gemacht und ausgeschrotet. Die Wendung: „la victoire... remporteé par la valeur des troupes franchises“, die sich in der „Instruction“ für den nach Wien abgehenden Grémonville 103) Vgl. über die in Ungarn geleistete Kulturarbeit Fritz Valjavec, Der deutsche Kultureinfluß im nahen Südosten, I, München 1940, S. 219 f„ S. 269 ff. Die Ungarn bezeichneten alle aus dem Westen kommenden Ausländer als „Deut­sche“ : Valjavec, 219. 104) Krones, III, 627.

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