Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

WAGNER, Georg: Der Wiener Hof, Ludwig XIV. und die Anfänge der Magnatenverschwörung 1664/65

Wiener Hof, Ludwig XIV. u. die Anfänge der Magnaten Verschwörung 1664/65 141 Beitrag zur „Umkehrung aller Allianzen“ von 1756 dar, da Österreich und Frankreich (besiegelt durch die Heirat Ludwigs XVI. und Maria Antoinettes 1770) ein länger währendes Bündnis eingingen, das erst die Französische Revolution zerbrach. Spanien kann freilich das große Verdienst für sich in Anspruch neh­men, nicht nur im 16. Jahrhundert Protektor und Refugium des öster­reichischen Katholizismus gewesen zu sein, sondern im 17. Jahrhundert, insbesondere im Dreißigjährigen Krieg, durch Subsidien und Truppen (Nördlingen, 1634), aber auch in den folgenden Türkenkriegen (1663/64, 1683/99) wesentlich zur Erhaltung von Österreichs Existenz beigetragen zu haben, obwohl es selber bereits an zerrütteten Finanzen litt102). Von den kulturellen und künstlerischen Bereicherungen, die Österreich durch Spanien erfuhr, sei hier abgesehen. Darüber wäre ein umfassendes Werk längst fällig, das freilich auch Österreichs Leistungen für Spanien, die eher auf dem dynastischen, politisch-militärischen Gebiete liegen, berücksichtigen sollte. Immer wieder wurden damals im Staatsrat Ansprüche von österreichi­schen hohen Würdenträgern auf den „Tuson“ behandelt, d. h. wurde von Österreich her die Verleihung des „Goldenen Vließes“ angestrebt und vielfach gewährt. Diese vom Kreuzrittergedanken inspirierte Ordensgemein­schaft war das treffendste Symbolband, das die beiden Länder verknüpfte. Im Juli 1668 erhielt ja auch der Sieger von 1664, Generalleutnant Rai­mund Graf Montecuccoli, für seine Feldherrnverdienste in Wien feierlich das Goldene Vließ. Am 8. August 1668 wurde er an Stelle des verstorbenen Don Hannibal de Gonzaga als Hofkriegsratspräsident vereidigt. Seine spätere Fürstenwürde ist eine spanische (von 1678). Für die österreichisch-spanischen, damals so notwendigen, verpflichten­den und opfervollen Zusammenhänge zeigten die ungarischen Magnaten kein Verständnis. Der Sieg an der Raab: Nationalismus und europäische Aktion 166 4. Vom Standpunkte der Ungarn aus war es allerdings wesentlich, daß dieses Volk trotz der Dreigeteiltheit in ein kaiserliches, türkisches und siebenbürgisch-türkisches Ungarn und einer über 150 Jahre währenden Leidenszeit seine nationale Physiognomie zu bewahren wußte. Dies ist eine bewundernswerte Leistung. Es ist jedoch eine Spezialität nationalmadjarischer Geschichtsschreibung, das ,türkische“ Siebenbürgen als frühen Keim und Kern moderner ungari­scher Vollsouveränität (heute: Satellitenstaat!) zu betrachten. Konsequent weitergedacht, wäre demnach die Befreiung Ungarns und Siebenbürgens (1683—1690) von der Türkenherrschaft als ,Versklavung“ anzusprechen. 102) über Spaniens Subsidien etc. für Österreich vgl. Antonio Domingo Ortiz, Politica y Hacienda de Felipe IV., Madrid 1960, S. 53 und 85.

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