Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

WAGNER, Georg: Der Wiener Hof, Ludwig XIV. und die Anfänge der Magnatenverschwörung 1664/65

136 Georg Wagner Ohne Zweifel wurde durch die Hinrichtungen des Jahres 1671 und den folgenden Versuch, Ungarn wie Böhmen nach 1620 zu behandeln, der Ruf von der „Clementia Austriaca“ schwerstens belastet. Daß Leopold I. die Verschwörer nicht leichten Herzens zum Tode gehen ließ, ergeht aus den Worten, die er am Abschluß des Prozesses an Pötting nach Madrid schrieb: „ ... und obwolen ich sonsten nicht gar bös bin, so muß ich es diesmal per forza sein und möchte es sich wohl schicken, daß man bei nächster ordinari (versteht sich die Post) etwas von gestürzten Köpfen hören möchte“. ") Aber hatte nicht insbesondere Nádasdy das Vertrauen des Pürsten aufs Schmählichste mißbraucht? Zugleich mit Ergebenheitsadressen hatte er z. B. 1668 in seiner anonymen „Oratio“ an die Nation, den „Protektor“, wie er Leopold nannte, bezichtigt, anstatt das Vaterland zu schützen, es verräterisch den Türken zu überliefern! 10°) Seine Eifersucht auf den Rivalen Peter Zrínyi — Nádasdy wollte Palatin eines völlig autonomen Ungarn sein — und die Ansprüche Franz I. über den ungebärdigen Magyaren! So manche ungarische Historiker vertreten Niclas Zrinyis Haltung fast unbesehen. Allerdings finden sich z. B. bei Kosáry Ansätze zu einer ausgewogeneren Beurteilung. Bei Jul. Pauler heißt es über Leopold I.: „Leopold war ein sanftmütiger, gemütlicher Herrscher, der an Musik, Poesie und Jagd Vergnügen fand und durch die Erziehung, die er genossen, die Sache gewöhnt war, die man in seiner Umgebung Regierungstätigkeit nannte, die aber nichts anderes als die mechanische Arbeit eines Beamten war. Er erteilte von Amtswegen Audienzen, wohnte den Ratssitzungen bei, versah die amtlichen Akten mit seiner Unterschrift und ließ sie versenden; aber nie kam es vor, daß er ein Regierungsziel selbst gestellt, die Mittel selbst gewählt, über­haupt Willen gezeigt hätte. Er besaß keine Selbständigkeit und war dabei auch intolerant in religiösen Dingen. In allem folgte er seinen Räten; was diese be­schlossen, bestätigte er. Daran wäre nichts Übles gelegen, wenn die Räte der Krone Vertrauen verdient hätten; allein die schwächlichsten, verworfensten, jämmerlichsten Leute saßen in Österreich in der Umgebung Leopolds, und die Folge war, daß derjenige, der Leopold persönlich kannte, seine Gutmütigkeit, Frömmigkeit nicht genug bewundern konnte, während der Anblick, den seine Länder mit ihren Miseren darboten, die Neigung erweckte, auch ihn für den größten Tyrannen zu halten“. (I, 39). Gemeinplätze, bewußte Abwertung, Man­gel an Kenntnis einschlägiger Quellen, kann man da nur sagen. Th. Heigel, H. v. Srbik, A. Fr. Pribram, Fr. Krones, O. Redlich — abgesehen von Th. Karajan und seinem Aufsatz über Petrus Lambeck und Leopold I. — haben insgesamt schon längst ein anderes Leopoldbild aus zahllosen Quellen stellen erstehen las­sen. Leopolds I. Schwächen sind bekannt, sind aber nicht derart, daß nicht insgesamt eine positive Bilanz seiner Herrschertätigkeit möglich wäre. Weder war er so willen- bzw. geist- und rückgratlos, noch hatte er solch schlechte Räte, wenngleich zugegeben werden muß, daß er in der Wahl der Minister mit zunehmendem Alter eine glücklichere Hand zeigte. 99) Privatbriefe, FRA/II/57, 157. 100) Ediert von A. Vereß im Történelmi Tar 1896, 103—112. Deutsche Über­setz. i. HHStA. Über die Ereignisse vgl. auch Adam Wolf, Lobkowitz, Wien 1869; dort auch Charakteristiken über Leopold I. Vgl. auch Grete Mecsenseffys Arbeiten über diese Zeit, insbesondere über Auersperg (AÖG 114/2, 1938).

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