Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

BENNA, Anna Hedwig: Eine Wiener Ratsliste und das Wiener Stadtrecht von 1340

6 Anna Hedwig Benna Verhandlungen zwischen Stadtherren und Stadt eine Bestätigung. Wohl dürften keine stürmischen politischen Auseinandersetzungen zwischen den Wienern und dem Herzog zu diesem Zeitpunkt, da die österreichischen Länder von Naturkatastrophen heimgesucht wurden36), stattgefunden ha­ben; es schweigen auch die spärlichen historiographischen Quellen dieser Zeit über Forderungen der Wiener Bürgerschaft und Zugeständnisse, die dem Herzog als Frucht zäher Verhandlungen oder harter Auseinander­setzungen abgerungen wurden37). Die Ausstellung der Urkunde durch die herzogliche Kanzlei erfolgte offenbar nach längeren Verhandlungen, in deren Verlaufe die Stadt vielleicht ein Konzept einreichte. Das Stadtrecht Albrechts II. spricht zum ersten und, abgesehen von der jüngeren Bestätigung dieses und verschiedener jüngerer Stadtrechte in der Pancharte Kaiser Friedrichs III. für Wien vom 5. Juli 1460 38), in der zwischen „statrecht und bürgerrecht“ einerseits und „ander freiheit“ anderseits, also zwischen dem Stadtrecht im engeren Sinn und den städti­schen Sonderrechten unterschieden wird39), einzigen Male ausdrücklich vom Stadtrecht Wiens im Gegensatz zu älteren und jüngeren Urkunden, in denen zwischen Rechten, Freiheiten und guten Gewohnheiten unterschieden wird40). Im Falle Wiens umfaßte dieses Stadtrecht schon in babenbergi- scher Zeit41) strafrechtliche, ehegüterrechtliche und erbrechtliche Sätze sowie Regelungen über Stadtbehörden, Besteuerung und Kriegsdienst der Bürger, also Normen, welche sowohl die privatrechtliche wie die öffentliche Sphäre betrafen. Die Weiterbildung dieses Stadtrechtes erfolgte durch Privilegierung von seiten der landesherrlichen wie der königlichen Stadt­herren, vor allem durch die Privilegien Kaiser Friedrichs II. 1237 und 1247 und die beiden Stadtrechtsurkunden König Rudolfs I. von 1278. Auf die Frage, inwieweit in diesen Privilegien Satzungsrecht des Stadtherren oder durch Privilegierung anerkanntes autonomes Stadtrecht vorliegt, kann hier 36) Vgl. Vancsa 2, 104. Gottfried Frieß, Das soziale Wirken Herzog Albrechts des Weisen von Österreich 1330—1353, Jb. Leo Ges. 1899, 66. Eloga, aaO. S. 73, 74. Karl Gutkas, Geschichte des Landes Niederösterreich 1 (1957), 69, 70. 37) Otto Brunner, Die Politik der Stadt Wien im späteren Mittelalter. Histor. Stud. A. F. Pribram (1929) S. 6. 3S) Druck: Tomaschek II, n. CLX, S. 94. 30) Die Pancharte Friedrichs III. für Wien, 1460 Juli 5 (Tomaschek II, .n CLX, S. 94) inseriert wörtlich die Stadtrechte Albrechts II., 1340 Juli 24, Albrechts I. 1296 Februar 13 sowie sieben weitere Urkunden: Albrecht I., 1296 Juli 24 Niederlagsrecht, Friedrich I. 1312 September 8, Niederlagsrecht, Al­brecht III., 1375 April 30, Niederlagspflicht, Rudolf IV., 1364 April 12 Rechts­kraft der Ratsurkunde, Albrecht III., 1391 Dezember 13, Stadtsteuer, Albrecht III. 1369 September 29 Verkaufsverbot fremder Weine, Albrecht V., 1439 Juli 4 Ordnung des Brückenzolls. Vgl. Rudolf Geyer, Die mittelalterlichen Stadtrechte Wiens, MIÖG. 58 (1950) 602. 40) Zum Begriff des Stadtrechts und dessen Herausbildung aus dem jus mercatorum der Frühzeit vgl. Planitz, MIÖG. 56, 287 ff., Die deutsche Stadt im Mittelalter (1954) S. 332 ff., 338, 340. 41) Planitz, MIÖG. 56, 293.

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